Kirchenkreis

"Prüft alles und behaltet das Gute!" – Jahreslosung für das Jahr 2025

1.1.2025

Im „Klamöttchen“, dem Second-Hand-Kleiderladen an der Kreuzkirche in Lüdenscheid, engagieren sich ehrenamtliche Mitarbeiterinnen, um gebrauchte Kleidung wieder aufzubessern und dann erneut anbieten zu können (Foto: EKKLP)
Im „Klamöttchen“, dem Second-Hand-Kleiderladen an der Kreuzkirche in Lüdenscheid, engagieren sich ehrenamtliche Mitarbeiterinnen, um gebrauchte Kleidung wieder aufzubessern und dann erneut anbieten zu können (Foto: EKKLP)

Liebe Leserinnen und Leser,

 

die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen im „Klamöttchen“, dem Secondhand-Laden an der Kreuzkirche in Lüdenscheid, prüfen alle gespendeten Kleidungsstücke gründlich und reinigen, flicken und bessern sie bei Bedarf aus, auch bevor sie die Sachen wieder anbieten, damit sie neu verwendet werden können. Viel Zeit und Sorgfalt und Liebe verwenden sie für diese Aufgabe, denn diejenigen, die kommen und sich hier einkleiden, sollen es doch gut haben – auch wenn oftmals die Menschen, die in Secondhand-Läden kaufen, nicht gerade auf der Sonnenseite des Lebens stehen.

So wie den beiden Frauen auf dem Bild geht es uns in unserem Leben an vielen Stellen: dass wir prüfen und abwägen, dabei vielleicht auch manches ausbessern und flicken und korrigieren. Und wenn wir das dann wie sie mit Zeit und Sorgfalt und Liebe tun können, dann ist das gar nicht selbstverständlich; wie oft muss alles unter Zeitdruck und Zwang passieren, wie oft fühlen wir uns überfordert angesichts der Fülle der Möglichkeiten.

 

Pausenlos müssen wir uns entscheiden, gibt es doch fast immer unzählige Alternativen. Wohl keine Generation vor uns hat diese Entscheidungsvielfalt, aber auch diesen Entscheidungsdruck so intensiv erlebt wie wir heute. Das fängt an bei den alltäglichen Dingen des Lebens, bei der Wahl der Kleidung, bei der Entscheidung, was und wann wir essen. Das geht weiter mit der Frage, wo wir leben, mit wem wir leben, welchen Beruf wir ergreifen, welche Hobbies wir pflegen. Andauernd müssen wir wählen, haben fast immer viele Alternativen und immer weniger Selbstverständlichkeiten für unseren Weg. Kinder ergreifen nicht automatisch den Beruf der Eltern, bleiben am selben Wohnort im Kreis der Familie, teilen die seit Generationen vertrauten Werte und Überzeugungen. Der amerikanische Religionssoziologe Peter L. Berger hat das den „Zwang zur Wahl“ genannt: Wir können wählen – welch ein Privileg, aber wir müssen auch wählen – welch eine Herausforderung.

 

Dieser „Zwang zur Wahl“ gilt dabei nicht nur für die äußerlichen Dinge unseres Lebens, sondern greift direkt hinein in den Kern dessen, was uns ausmacht. Auch bei der Frage, woran wir uns orientieren, was uns Halt und Sicherheit gibt, welche Werte unser Leben prägen, gibt es solch eine Vielfalt von Möglichkeiten, dass wir uns häufig überfordert fühlen.

Wer in Buchhandlungen im Regal für „Religion und Spiritualität“ schaut, findet eine derartige Fülle von Büchern, dass man leicht hilflos zurückbleibt. Da wird gekocht und gewandert mit Hildegard von Bingen, Bach-Blüten erleichtern unser Leben, Autoren ermutigen uns „Werde wie du bist“ oder auch „Werde anders als du bist“, vielleicht sogar auch erst ein „Werde – und du wirst sein“. Wir können mit buddhistischen Mönchen meditieren, auf den Spuren großer Mystiker wandern oder uns auch von allem Religiös-Spirituellen befreien lassen, um so uns selbst zu finden. Es gibt Ratgeber zu meditativem Kochen, zu erleuchtenden Pilgertouren und zu Engelsbegegnungen, die uns auf völlig neue Wege führen. Und achtsam zu werden, können wir auch lernen. Da den Überblick zu behalten, die Orientierung nicht zu verlieren, ist schon eine echte Herausforderung.

 

Der Satz „Prüft alles und behaltet das Gute!“, die Jahreslosung 2025, könnte gut aus der Werbung stammen oder aus einem dieser zahlreichen Lebensratgeber, die heutzutage so weit verbreitet sind. Er ist jedoch schon viel älter, er steht in der Bibel im 1. Brief, den der Apostel Paulus an die ersten Christinnen und Christen in der griechischen Hafenstadt Thessaloniki geschrieben hat. Die Menschen dort hatten – ähnlich wie wir heute, wenn allerdings auch längst nicht in dem Ausmaß wie heute – eine Fülle zur Auswahl, eine Fülle an Waren des täglichen Bedarfs für alle, an Luxusgütern für die Reichen und auch eine Fülle an Weltanschauungen, Religionen, Angeboten zur Lebensdeutung. Und so stellen sie sich die Frage: Wie ist das mit ihrem neu gefundenen christlichen Glauben an den dreieinigen Gott, der der Schöpfer der Welt und allen Lebens ist, der in seinem Sohn Jesus Christus in einer Krippe zur Welt gekommen, an einem Kreuz gestorben und schließlich am Ostermorgen von den Toten auferstanden ist, der uns als Heiliger Geist zur Seite steht und durch unser Leben leitet? Kann das die Grundlage für ihr Leben sein, das, was sie leitet und trägt? Oder sollten sie sich doch lieber wieder zu den alten seit Jahrhunderten vertrauten Göttern des griechisch-römischen Sagenhimmels halten, immerhin taten das doch die allermeisten Menschen um sie herum? Und – das nicht nur nebenbei – damit würden sie auch nicht anecken, weder in ihrer Familie noch in der Nachbarschaft, der Stadt, an der Arbeitsstelle, denn das verstanden damals doch alle. Oder – und damit noch eine Möglichkeit – würden ihnen vielleicht irgendwelche philosophischen Gedanken die nötige Orientierung bieten? Aber wenn ja, welche? Wie sollte man sich da entscheiden? Das Nachdenken über die Grundfragen des Lebens hatte Konjunktur, war etwas für Intellektuelle und konnte ihren hohen Bildungsstand zeigen.

 

Die Gläubigen in Thessaloniki waren verunsichert, gerade auch nachdem der erste Glaubensschwung mit ihrer Bekehrung immer mehr dem gewohnten Alltag mit all seinen Herausforderungen wich. Das wusste auch der Apostel Paulus und schrieb ihnen darum einen langen ermutigenden Brief. Gar nicht vorwurfsvoll anklagend nach der Melodie: Wie könnt ihr bloß? Wie könnt ihr bloß das Christentum in Frage stellen, wie könnt ihr bloß an meinen Worten, meiner Lehre zweifeln, wie könnt ihr überhaupt bloß in Erwägung ziehen, dass anderes helfen könnte?

 

Nein, regelrecht liberal kommt Paulus hier daher, wenn er auffordert: „Prüft alles und behaltet das Gute!“ Lest ruhig alle möglichen Lebensratgeber und probiert aus. Gebt euch nicht mit vorschnell daher gesagten Empfehlungen anderer zufrieden. Macht eure eigenen Erfahrungen. Das kann er getrost so empfehlen, denn einer Sache ist er sich ganz sicher: Wer so prüft, merkt alsbald, was das Gute ist, ja sogar das Beste, das uns passiert ist – dass wir nämlich Gott an unserer Seite haben, der für uns Mensch geworden und so ganz nahe gekommen ist, der uns beisteht und mit uns durchs Leben geht, durch dieses neue Jahr und allezeit. Gott sei Dank.

Interview Grote

Ihr Christof Grote

 

Superintendent des

Ev. Kirchenkreises

Lüdenscheid-Plettenberg