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„Keine Ahnung, warum der Dachstuhl noch hält“

2.12.2024

Die Kirchengemeinde hatte die Kirche bereits aus Sicherheitsgründen geschlossen (Schild links). Die Stadt Lüdenscheid hat danach ein Betretungsverbot wegen Einsturzgefahr verhängt (Foto: Görlitzer)
Die Kirchengemeinde hatte die Kirche bereits aus Sicherheitsgründen geschlossen (Schild links). Die Stadt Lüdenscheid hat danach ein Betretungsverbot wegen Einsturzgefahr verhängt (Foto: Görlitzer)

Von Bettina Görlitzer

 

LÜDENSCHEID + Überall im Evangelischem Kirchenkreis Lüdenscheid-Plettenberg stehen Gebäude auf dem Prüfstand. Grund ist die sehr schlechte Haushaltslage nahezu aller Kirchengemeinden. Dazu verfügen fast alle Gemeinden über einen viel zu hohen Gebäudebestand, gemessen an den aktuellen Gemeindegliedern. Somit sind alle Kirchengemeinden gefordert, zu überlegen, welche Gebäude sie brauchen und finanzieren können.

 

Besonders gebeutelt sind dabei diejenigen, die über Kirchen mit erheblichen Sanierungsbedarf verfügen, wie zum Beispiel die Gemeinde Brügge-Lösenbach in Lüdenscheid. „Sie sieht massiver aus, als sie ist“, fasst Rainer Kopatz, Mitglied des Presbyteriums und Baukirchmeister der Gemeinde, den Zustand der Kreuzkirche in Brügge zusammen. Bereits seit rund einem Jahr ist das fast 125 Jahre alte Gotteshaus an der Halverstraße im Lüdenscheider Stadtteil Brügge wegen Einsturzgefahr des Daches gesperrt. Jetzt liegen die Ergebnisse des Gutachtens und Kostenschätzungen für eine Sanierung vor. Rund 1,75 Millionen Euro würde es demnach kosten, das Gebäude wieder nutzbar zu machen. „Das können wir als Gemeinde alleine nicht stemmen“, sagt Eberhard Reich, der gemeinsam mit Kopatz die Zahlen vorstellte.

 

Der Gutachter sei acht Stunden vor Ort gewesen. Sein Fazit: Er hätte „keine Ahnung, warum der Dachstuhl noch hält“, beschreibt Kopatz die dramatische Situation. Bei der bisher letzten umfangreichen Sanierung in den 1960er-Jahren sei das Holz lediglich mit einer Ummantelung aus Metall versehen worden. Diese Verkleidung habe über Jahre das wahre Ausmaß der Schäden an den morschen Balken verborgen. Aber der Dachstuhl ist nicht das einzige Problem: An verschiedenen Stellen weist das Mauerwerk Risse auf, außerdem stehen die Buntglasfenster unter einem enormen Druck und drohen auszubrechen.

 

Fast schon ärgerlich ist es mit diesen neuen Erkenntnissen, dass gerade erst im vergangenen Jahr der ebenfalls unter Denkmalschutz stehende Zaun rund um die Kirche, seinerzeit von dem Künstler K.T. Neumann gestaltet, saniert worden war. Nachdem dann aber die Heedfelder Kirche gesperrt worden war, waren die Brügger gewarnt und hatten denselben Gutachter in die Kreuzkirche geholt.

Baukirchmeister Rainer Kopatz (links) und Eberhard Reich informierten über den Sanierungsbedarf der Kreuzkirche im Lüdenscheider Stadtteil Brügge (Foto: Görlitzer)
Baukirchmeister Rainer Kopatz (links) und Eberhard Reich informierten über den Sanierungsbedarf der Kreuzkirche im Lüdenscheider Stadtteil Brügge (Foto: Görlitzer)

Glück im Unglück hat die Gemeinde, weil sie mit dem Gemeindezentrum an der Schubertstraße im Stadtteil Lösenbach über eine weitere Gottesdienststätte verfügt. Ab Brügge wurde ein Fahrdienst eingerichtet. Aber letztlich hatte die Gemeinde vor sechs Jahren beschlossen, sowohl Kirche als auch Gemeindezentrum zu behalten.

Dennoch: „Das tut uns als Brüggern sehr weh“, sagt Eberhard Reich. Vieles, was einst den Stadtteil prägte, ist bereits verloren gegangen. Die katholische Kirche St. Paulus wurde von der Pfarrei St. Medardus Anfang des Jahres aufgegeben. Das historische Bahnhofsgebäude, das einst mit der Kreuzkirche ein optisches Ensemble bildete, ist längst abgerissen, bedauert Reich.

 

Angesichts der drohenden Sanierungskosten ist es fraglich, ob es eine Zukunft für die Kirche gibt. Aber eine Entscheidung ist noch nicht gefallen. „Wir hängen weiter in der Warteschleife“, so Kopatz. Aktuell wartet die Gemeinde noch auf ein Wertgutachten des Märkischen Kreises für die Immobilie. Erst danach soll beraten werden, wie es weiter geht. Derweil verpflichte der Denkmalschutz zur Werterhaltung erklären Reich und Kopatz. Daher fallen zum Beispiel weiterhin Heizkosten an, damit die Orgel keinen Schaden nimmt.

 

Diese Situation trifft die Gemeinde in einer Zeit, in der sie bereits seit Monaten keinen eigenen Pfarrer mehr hat. Simon Schupetta hat zum 1. August eine neue Pfarrstelle in Ostfriesland angetreten. Nach aktuellen Vorgaben der Westfälischen Landeskirche steht der Gemeinde noch eine Dreiviertelstelle für einen Pfarrer zu. In welcher Form die Stelle ausgeschrieben wird und ob es eine Lösung mit einem sogenannten interprofessionellen Pastoralteam innerhalb des Kooperationsraumes mit den Kirchengemeinden Oberbrügge und Halver geben kann, werde noch in Abstimmung mit Kirchenkreis und Landeskirche geklärt, berichten Reich und Kopatz. Zumindest konnten sie die Gemeinde darüber informieren, dass die Zeit der stetig wechselnden Vertretungen erst einmal vorbei ist. Bis April werde Christof Dickel, der zum 1. Mai als Pfarrer in Halver in den Ruhestand verabschiedet wurde, im Wesentlichen die Gottesdienste übernehmen. Zudem betreut Thomas Wienand, Pfarrer in Oberbrügge, eine der Konfirmandengruppen.

Bildimpressionen der Kreuzkirche in Brügge (alle Fotos: Görlitzer)

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