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Wahrzeichen Brügger Kreuzkirche – droht die Aufgabe?
18.1.2025
Von Iris Kannenberg
BRÜGGE + Im Volmetal gelegen und dennoch zu Lüdenscheid gehörend - macht der kleine Ort besonders in den letzten Jahren immer mehr den Eindruck das „ungeliebte Kind“ Lüdenscheids zu sein. Wer sich alte Fotos anschaut, erkennt auf den ersten Blick den Unterschied zwischen damals und heute. Vor gar nicht so langer Zeit bestand Brügge aus wohlgepflegten Handwerker-, Händler- und Patrizier-Häusern. Brügge verfügte über schmucke Straßen mit vielen kleinen und größeren Geschäften und einem schönen Baumbestand. Man sieht den Menschen auf den früheren Fotos an, dass sie zu Recht stolz sind auf ihre Stadt. Dagegen das Bild heute: Fährt man durch den Ort, bietet sich einem ein Bild des Jammers. Links und rechts schaut man auf ungepflegte Häuser, vielen von ihnen schon jahrelang im Leerstand. Man hat das Gefühl, als wäre jemand mit einer Abrissbirne durch den Ort gegangen. Das „Fähnchen hoch“ für Brügge halten lediglich noch das Hotel Passmann und die renommierte Galerie Kümmel. Das war es auch schon fast. Was genau ist geschehen? Wie konnte das geschehen? Man gewinnt den Eindruck, dass sich in Brügge, seitdem es Lüdenscheid zugeschlagen wurde, alles von Jahrzehnt zu Jahrzehnt „verschlimmbessert“ hat. Brügge wurde sichtbar vernachlässigt. Und wohl auch nicht ganz ernst genommen.
Was Brügge in mancherlei Hinsicht noch attraktiv machte und auch kulturell belebte, war die Evangelische Kreuzkirche Brügge. Die Kirche ist das Wahrzeichen des kleinen Ortes. Sie wurde am 9. Mai 1900 eingeweiht und besteht aus einem kreuzförmig-zentralisierenden Kirchenbau in gestraffter neugotischer Form, mit eingestelltem Eckturm und bruchsteinverkleidet. Das Innere ist von drei hölzernen Emporen umzogen. Besonders charakteristisch ist die reiche Buntglas-Verglasung des Gebäudes, die unter Denkmalschutz steht. Also eigentlich ein architektonisches Kleinod, das es zu erhalten gälte.
Seit fast 125 Jahren ist die Kirche damit ein gesellschaftlicher Mittelpunkt des Ortes. Hier kam bis vor kurzem noch die Brügger Bürgerschaft zusammen. Angeschlossen sind ein vielfältig nutzbares Gemeindezentrum und eine Kita. Alles für die meisten fußläufig erreichbar. Ein zentraler Treffpunkt für Familien, Senioren, Kinder und Jugendliche. Aber auch Ort für Konzerte und Lesungen, Jugendevents und Gottesdienste, die bis zuletzt gut besucht waren. Steht die Brügger Kreuzkirche nun – aufgrund von umfänglichen Schäden - vor dem Aus? Wie konnte es dazu kommen?
Der Evangelische Kirchenkreis Lüdenscheid-Plettenberg gab im letzten Jahr dazu eine Pressemitteilung heraus: „Betreten der Brügger Kirche ist jetzt offiziell verboten! Stadt Lüdenscheid erlässt Ordnungsverfügung / Kirchengemeinde steht vor Grundsatzentscheidung“ lautete die Überschrift.
In der Mitteilung wird darauf hingewiesen, dass im November 2023 Schäden an der Kreuzkirche in Brügge entdeckt wurden. Seitdem ist die Kirche geschlossen. Experten machten sich ein Bild über den Gesamtschaden des Gebäudes, welches unter Denkmalschutz steht. Auf Basis der Ergebnisse und Einschätzungen der Fachleute hatte die Stadt Lüdenscheid dann eine Ordnungsverfügung erlassen. Für die Kirche besteht seitdem ein behördlich offizielles Betretungsverbot.
Aufgrund der Gefahr durch den einsturzgefährdeten Dachstuhl der Kirche wurde „die Nutzung und das Betreten des gesamten Kirchengebäudes“ von Seiten der Stadt untersagt. Das Zutrittsverbot gilt, bis die Stadt Lüdenscheid eine Bestätigung zur Wiederaufnahme der Nutzung ausstellt. In der Zwischenzeit ist das Betreten des Gebäudes lediglich im Rahmen der Sanierung und zur Erhaltung des Gebäudes und der Einrichtung gestattet. Dies darf nur durch einen jeweils dafür fachlich ausgebildeten Personenkreis geschehen, heißt es in der Ordnungsverfügung.
Bei Reinigungsarbeiten waren im November 2023 Schäden im Dachstuhl der Kirche entdeckt worden. Bei einer darauffolgenden Besichtigung mit dem Dombaumeister war herausgekommen, dass über die Turmseite Wasser in die Kirche eingedrungen war und so Dachbalken beschädigt wurden. Aufgrund von morschen Balken bestand eine aktuelle Gefahrenlage. Nach weiteren Begehungen von Fachleuten wurde der Gesamtschaden der Kirche erfasst. Daraufhin folgte die Ordnungsverfügung der Stadt Lüdenscheid. Die Kirchengemeinde steht seitdem vor einer Grundsatzentscheidung. Hierbei geht es nämlich nicht nur darum, wie die Kirche saniert und damit wieder nutzbar gemacht werden kann. Es geht in erster Linie darum, ob die Gesamtsanierung überhaupt geleistet werden kann. Denn die Sanierung wäre sehr aufwendig und kostenintensiv – und die Kirchengemeinde müsste dies vorwiegend selbst leisten.
Soweit der Rückblick. Heute steht fest: Es wird kein Geld für die Renovierung durch die Landeskirche geben. Auch die Evangelische Kirche Deutschlands hat kein Geld mehr übrig für ihre Gebäude. Die Kassen sind leer, aufgrund der vielen Kirchenaustritten und dem demografischen Wandel. Damit scheint die Kirchengemeinde Brügge-Lösenbach diese große Frage und Problematik um ihre Kirche selbst lösen zu müssen. Wie ihr ergeht es derzeit vielen Kirchengemeinden in ganz Deutschland. Viele Kirchen sollen verkauft, endwidmet und umgenutzt werden. Für Brügge könnte dies tatsächlich so enden – und damit würde einer der letzten schönen Plätze in Brügge unwiederbringlich verloren gehen.
KOMMENTAR zum Thema – von Iris Kannenberg:
Jetzt wird der eine oder andere sagen: „Das Gebäude gehört ja der Kirche, soll sie sich auch darum kümmern.“ Das wäre aber zu kurzsichtig gedacht und stimmt daher nicht ganz. Im Grunde genommen gehören die Kirchen unserer Städte uns allen und wurden größtenteils von unseren Vorfahren geplant, finanziert und baulich umgesetzt. Sie dienten viele Jahrhunderte als Zuflucht für die Bevölkerung. Sie spielten eine teilweise riesige Rolle in der Historie unseres Landes. Hier wurde Frieden geschlossen und verhandelt. Hier wurde gebetet und diskutiert, hier fand das Gemeindeleben der Städte statt. Kirchen waren das Zentrum jeden Ortes und trugen maßgeblich zur Städtegründung mit bei. Durch den Bau von Kirchen bildeten sich die Zünfte und Gilden sowie die Hansen. Hier wurde geheiratet, beerdigt, getauft. In einer langen Tradition. Künstler haben sich in Kirchen verewigt, man denke nur an Albrecht Dürer oder in neuerer Zeit an Marc Chagall.
Reißt man Kirchen ab, vernichtet man somit unwiederbringlich auch jahrhundertealtes Kulturgut. Und entwurzelt Städte und Dörfer. Man trennt sie ab von ihrer Geschichte, von dem, was gewachsen ist, was einmal bedeutsam, heilig und schützenswert war. Ist das erstrebenswert? Man stelle sich nur Städte ohne Kirchen vor. Es würde etwas unwiederbringliches und einzigartiges fehlen in unseren Stadtbildern.
„Was kann man tun? Wenn man es emotionslos anschaut, bleiben eigentlich nur die Brügger Bürgerschaft und die Gemeinde selbst, die gemeinsam eine Lösung zum Erhalt des Gebäudes finden müssen. Gibt es eine Lösung? Nicht nur für die Kirche, sondern für den ganzen Ort? Was wäre, wenn man damit begänne, sich generell Brügge noch einmal mit offenen Augen anzuschauen und sein immer noch vorhandenes Potential zu erkennen? Was wäre, wenn man den Verfall stoppen würde. Was wäre, wenn die Brügger auf ihrem „Wahrzeichen Kreuzkirche“ vehement bestehen würden? Öffentlich. Auch gegenüber der Politik? Was wäre, wenn man Brügge z.B. touristisch attraktiv machen könnte? Die alten Fotos wieder zur Hand nähme und statt aufzugeben beschließt: So war es und so ähnlich soll es wieder werden. Hier bei uns in diesem kleinen Ort, der historisch gesehen so wichtig für die Region war. Auf den wir doch einmal stolz waren. Und der nun irgendwo zwischen Volmetal und Lüdenscheid schwebt, ohne festen Anker, scheinbar aufgegeben und vergessen, einfach so.
Was wäre, wenn die Brügger Bürger nicht mehr tatenlos zusehen, wie ihr Heimatort mit dem Verschwinden der letzten bedeutsamen Plätze endgültig zerstört wird und der Stadtteil lediglich zu Lüdenscheids Zubringer-Bahnhof verkommt? Offene Türen, Fördertöpfe und Menschen, die sich gern engagieren würden, gäbe es sicher einige. Auch das Denkmalschutzamt ist interessiert. Gerade am Erhalt der Kirche. Vielleicht müsste man nur damit anfangen, sich zunächst einmal gemeinsam und ernsthaft zu fragen: Was wäre, wenn…?“