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Nicht absehbare Dimension

24.1.2019

Der Chorraum der Apostelkirche in seiner jetzigen Form: Ohne den Altaraufbau wurde der Blick frei auf die Kirchenfenster dahinter (Foto: Süderländer Tageblatt)
Der Chorraum der Apostelkirche in seiner jetzigen Form: Ohne den Altaraufbau wurde der Blick frei auf die Kirchenfenster dahinter (Foto: Süderländer Tageblatt)

HERSCHEID + Der Altaraufbau in der Apostelkirche dominiert die Schlagzeilen und die Gesprächsthemen im Dorf seit Wochen. Nachdem sich vorwiegend Kritiker des Abbaus zu Wort gemeldet haben, erklärten gestern Mitglieder des Presbyteriums ihre Sicht der Dinge und ließen dabei auch Einblicke in ihre Gefühlswelten zu.

 

„In unserer Arbeit fühlen wir uns natürlich angegriffen“, gestand Grit Kannert. Die Kirchbaumeisterin betonte dabei, dass die zehn ehrenamtlichen Mitglieder des Presbyteriums von der Gemeinde gewählt worden sind. Außerdem gehört mit Bodo Meier der hauptamtliche Pfarrer diesem Gremium an, welches die Gemeinde leitet und sich daher intensiv mit der Sanierung der Apostelkiche beschäftigt, in deren Rahmen auch über den Altaraufbau diskutiert wird.

 

„Der Abbau wurde von uns einstimmig beschlossen und dazu stehen wir auch“, betonte Grit Kannert und verwies in erster Linie auf Sicherheitsbedenken, die zu diesem Schritt geführt haben. Sie bedauere es sehr, dass in zum Teil unsachlichen Leserbriefen Pfarrer Meier zur Zielscheibe der Kritik ausgerufen werde.

 

Diese Stellungnahmen hinterlassen auch bei Bodo Meier Spuren. „Das tut natürlich weh“, sagte er gestern, um kurz darauf den Blick wieder auf das große Ganze zu richten. Ziel der Sanierung sei es, den Schatz der Kirchengemeinde, die Apostelkirche, so zu gestalten, dass sie auch in Zukunft der Mittelpunkt des evangelischen Gemeindelebens bleiben könne.
Diesen Weg „wollen wir alle gemeinsam gehen“, verdeutlichte Meier, dass Stellungnahmen der Gemeindemitglieder ausdrücklich erwünscht seien. Vor diesem Hintergrund plane das Presbyterium einen Tag der offenen Tür, bei dem die Prozesse der Kirchensanierung und unter anderem auch die Bedeutung des Altaraufbaus erklärt werden sollen.

 

Eine solche Information zur richtigen Zeit habe kurz vor der Weihnachtszeit gefehlt, sagte Meier. Rückwirkend betrachtet sei es sehr ungeschickt gewesen, dass die Gemeinde nicht über den bevorstehenden Abbau des Altaraufbaus unterrichtet wurde. Dies geschah keinesfalls aus Arglist; es sei schlicht und ergreifend vergessen worden, sagte Meier.
Völlig neu sei das Thema jedoch nicht: In der Gemeindeversammlung Mitte November wurde das Vorhaben (damals stand noch nicht fest, wann es umgesetzt wird) öffentlich gemacht, ohne dass es dazu eine Äußerung gegeben habe. „Die Dimension der jetzigen Reaktionen war nicht absehbar“, sagte gestern Superintendent Klaus Majoress. Er zeigte Verständnis für die emotionalen Äußerungen der Gemeindemitglieder, die an dem Altaraufbau hängen. Genau so gebe es aber auch Befürworter, die sich jedoch öffentlich kaum zu Wort melden.

 

Der Apostelkirche willen müsse die Kirchengemeinde jedoch zusammenhalten, wünschte sich Majoress. Zumal, und das betonten alle Gesprächsteilnehmer unabhängig voneinander, die Zukunft des Altaraufbaus völlig offen sei. Die kommenden Wochen des Kirchenjahres stehen im Zeichen des Austausches, sagte Pfarrer Meier – Austausch mit den Gemeindemitgliedern, aber auch mit dem Kirchenkreis, der Landeskirche und der Denkmalpflege.
Nach dem Ablauf des liturgischen Jahres werde dann darüber entschieden, ob der Altaraufbau wieder im Chorraum aufgestellt wird oder an einer anderen Stelle. „Die Entscheidung wird nicht gefällt, der Entschluss soll wachsen“, skizzierte Pfarrer Meier den weiteren Verlauf des Prozesses.

 

Trafen sich zum Gespräch in der Apostelkirche (von links): Superintendent Klaus Majoress, Kirchbaumeisterin Grit Kannert, Pfarrer Bodo Meier sowie die Presbyteriumsmitglieder Stefanie Forster-Klein und Andreas Mätzig (Foto: Süderländer Tageblatt)

Trafen sich zum Gespräch in der Apostelkirche (von links): Superintendent Klaus Majoress, Kirchbaumeisterin Grit Kannert, Pfarrer Bodo Meier sowie die Presbyteriumsmitglieder Stefanie Forster-Klein und Andreas Mätzig (Foto: Süderländer Tageblatt)

 

 

Chronologie der Ereignisse

Der Abbau des Altaraussatzes ist nur ein Mosaikstein der Sanierung der Apostelkirche, der in den anfänglichen Überlegungen des Presbyteriums allerdings überhaupt keine Rolle gespielt hat, wie aus den bisherigen Stationen der Planung hervorgeht.

 

Erste Gespräche über den Zustand der Kirche fanden nach Auskunft von Pfarrer Bodo Meier bereits im Jahr 2016 statt. Ursache für die Sanierung war die elektrische Fußbodenheizung, die nicht nur in Teilen defekt, sondern auch unwirtschaftlich im Betrieb ist. Risse im Gewölbe, Erneuerung des Bodenbelages und die dunklen Verfärbungen an den Wänden waren weitere von Experten angeführte Punkte.

 

Mit einem Aktionstag am 8. Juli letzten Jahres stellte das Presbyterium den Prozess der Sanierung auf breitere Füße: Nach einem Gottesdienst im Freien hatten alle Besucher die Gelegenheit, ihre Wünsche einfließen zu lassen. Bei dieser Befragung (die nicht nur auf den einen Tag begrenzt war) wurden zwei zentrale Ideen mehrfach gefordert: eine neue Bestuhlung der Kirche und die Verbesserung der technischen Ausstattung, um den Einsatz moderner Medien zu ermöglichen. Erstmals sei dabei von einem Gemeindemitglied angeregt worden, den Altaraufbau zurückzubauen, um den Blick auf die Fenster im Chorraum freizugeben.
Zu einer Begehung in der Apostelkirche trafen sich am 18. August Vertreter des Presbyteriums mit Mitarbeitern des Kirchenkreises, der Landeskirche und der Denkmalpflege. Zentrales Thema war die Kirchensanierung im Allgemeinen. Von Seiten eines Architekten der Landeskirche wurde dabei festgestellt, dass die Gemeinde in der Kirche alles zeige, was sie zu bieten habe – die Kirche wirke überladen. Er regte an, den Altaraufbau probeweise zu entfernen. Der Architekt warf folgende Frage auf: „Wird die Architektur des Chorraumes durch den Altaraufbau hilfreich unterstützt oder nicht?“
Auch nach dieser Begehung, das betonen die Presbyteriumsmitglieder, blieb die Heizung der Kern der Planungen. Mit dem Altaraufbau habe man sich erst im dritten oder vierten Schritt beschäftigen wollen, erzählte gestern Bodo Meier.
Doch das änderte sich am 24. September mit dem Erhalt des Protokolls des Landeskirchenamtes: Darin bemängelte der Beauftragte für Arbeitssicherheit den Altaraufbau, der unzureichend und nicht mehr den heutigen Standards entsprechend im Chorraum befestigt sei. Es bestehe Handlungsbedarf, betonte der Fachmann.
Bei der Gemeindeversammlung am 23. November berichteten zunächst zwei Architektinnen von der Pflicht, also der Kirchensanierung. Im zweiten Teil widmete sich Bodo Meier der Innenausstattung. Dabei ging er, ohne ein Datum zu nennen, auch auf das Vorhaben ein, den Altaraufbau probeweise abzubauen. Eine Diskussion zu diesem Punkt der Versammlung kam nicht auf. Stattdessen wurden andere Bestandteile der Renovierung hinterfragt.
In seiner letzten Sitzung des Jahres 2018 beschloss das Presbyterium Mitte Dezember, den Altaraufbau für die Dauer des nächsten Kirchenjahres abzubauen. Der Sicherheitsgedanke sei bei diesem einstimmigen Beschluss entscheidend gewesen, sagte gestern Kirchbaumeisterin Grit Kannert.
Sie nahm Kontakt zu einem Handwerker auf, der den fünf Tage vor Heiligabend den Abbau durchführte. Seither werden die Bestandteile des Altaraufbaus in einer mit einer Bretterwand abgeschirmten Nische links vom Chorraum sicher gelagert. ©Süderländer Tageblatt

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