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Kirche macht Schule
27.10.2021

von Martin Büdenbender
MEINERZHAGEN + Am 10. November drücken Pfarrstelleninhaber und Synodalabgeordnete des Kirchenkreises Lüdenscheid-Plettenberg die Schulbank. Zum Nachsitzen kommt dann selbstverständlich keiner ins Evangelische Gymnasium nach Meinerzhagen. Vielmehr findet dort an diesem Tag die nächste Kreissynode statt, übrigens die erste Präsenzveranstaltung seit gut einem Jahr.
Die Wahl fiel auf diesen Veranstaltungsort nicht nur wegen seiner guten räumlichen Voraussetzungen mit einer architektonisch anspruchsvoll gestalteten und technisch hervorragend ausgestatteten Aula. Der Kirchenkreis ist dort auch Gast im eigenen Haus. Träger des Evangelischen Gymnasiums in Meinerzhagen ist die Evangelische Kirche von Westfalen. Sie ist Schulträger von sieben Schulen an sechs Standorten (Bielefeld-Sennestadt, Breckerfeld, Espelkamp, Gelsenkirchen-Bismarck, Lippstadt und Meinerzhagen).
"Evangelisch“ ist mehr als nur das erste Wort des Schulnamens
Oberstudiendirektor Sven Dombrowski, Leiter des Evangelischen Gymnasiums Meinerzhagen, betont, dass „Evangelisch“ mehr als nur das erste Wort des Schulnamens ist. Seit fast sechs Jahrzehnten werde in der Schule an der Christoph-Friedrich-Baehrens-Straße 7 Gemeinschaft gelebt:„Wir verstehen uns als Schul-Gemeinde und versuchen Glauben auch im schulischen Alltag zu leben.“
Schule als Gemeinschaft, genau das ist beim Besuch des Gymnasiums zu spüren. Es ist gerade Pause. Fröhlich toben Schülerinnen und Schüler über den Pausenhof oder stehen in kleinen Gruppen zusammen und unterhalten sich angeregt. Von vielen Seiten wird freundlich gegrüßt. „Wir wollen unseren Schülern eine wertschätzende Haltung vermitteln“, erklärt der Schulleiter.
Sauber und aufgeräumt präsentiert sich das Schulgebäude, das auf einer Anhöhe umgeben von einem Grüngürtel liegt. Nach Süden kann man von hier über die Volmestraße hinweg auf die wunderschöne romanische Jesus-Christuskirche blicken. Luftlinie sind es gerade mal 500 Meter bis dort hin. Obwohl schon 1960 gebaut wirkt die Architektur der Schule keineswegs altbacken. Große Fenster erhellen die Räume und Klassenzimmer. Allen voran die Mensa mit ihrer Anbindung an den Innenhof präsentiert sich hell und freundlich. Hier werden im Sommer Fenster und Türen geöffnet und die Schüler können in der Mittagspause wählen, ob sie es sich drinnen oder draußen bequem machen wollen. Ein Transparent vor dem Eingangsbereich der Mensa fällt ins Auge. „Kirche macht Schule“ steht darauf in großen Buchstaben geschrieben.
Multikulturelles Gymnasium
850 Schülerinnen werden im Evangelischen Gymnasium von 65 Lehrkräften unterrichtet. 20 Mitarbeiter gehören mit zur schulischen Gemeinschaft. - So viele Menschen, und dennoch herrscht kein wildes Durcheinander. Überall blickt man in freundliche Gesichter. Das Evangelische Gymmnasium präsentiert sich multikulturell. Das macht auch das Plakat deutlich, das an der Pinnwand neben dem Verwaltungstrakt hängt. Unter dem Titel „Unsere Schule ist bunt“ wird dort für die Teilnahme an einem Wettbewerb zum Thema „Vielfalt bunt erleben“ geworben.
„40 Prozent unserer Schüler haben Migrationshintergrund. Das spiegelt die Bevölkerungssituation in Meinerzhagen wieder“, erklärt Sven Dombrowski. Das Evangelische Gymnasium Meinerzhagen sei keine Angebotsschule, sondern das einzige Gymnasium im Umkreis von 20 Kilometern. Deswegen stehe die Schule allen, die für diese Schulform geeignet seien, offen. Allerdings gebe es einen Schulvertrag. Darin versichern Eltern und Schüler Grundordnung und Grundsätze der kirchlichen Schule anzuerkennen.
So kommt es, dass an der Christoph-Friedrich-Baehrens-Straße nicht nur Kinder unterschiedlicher christlicher Konfessionen, sondern auch anderen Glaubens unterrichtet werden. Mit einem konfessionell kooperativen Religionsunterricht und mit regelmäßig abgehaltenen ökumenischen Schulgottesdiensten, aber auch mit dem Besuch von Synagogen und Moscheen wird der religiösen Vielfalt Rechnung getragen. So multikulturell wie die Gesellschaft sind die Klassen zusammengesetzt.

Allen Schülern will das Gymnasium Werte vermitteln, die für jegliche Form und Ausrichtung menschlichen Zusammenlebens bedeutsam sind: Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung. Diakonie, der Dienst am Menschen auf der Grundlage des Gebotes der Nächstenliebe, ist fest im Schulprogramm verankert. Der Schulleiter spricht von „diakonischen Bausteinen“. Über Diakonie wird hier nicht nur geredet, sie wird auch praktiziert. Auf dem Weg ins Obergeschoss der Schule informiert im Treppenhaus eine große Plakatwand über die Partnerschaft mit einer südindischen Schule in Karadikkal. Seit fast 30 Jahren unterstützen die Gymnasiasten diese Schule, erwirtschafteten für sie mit Basaren, Konzerten und vielen anderen Aktivitäten im Laufe der Jahre über 100.000 Euro.
Diakonische Bausteine
Außergewöhnlich ist das diakonische Praktikum, das jeder Schüler in den letzten drei bis vier Wochen des elften Schuljahres absolviert. Ein beträchtlicher Anteil der Schüler nimmt sogar die Möglichkeit wahr, das Praktikum in die Schulferien hinein zu verlängern. Das ermöglicht dann das Mitwirken an Hilfsprojekten im Ausland, etwa in einem Blindenheim auf Taiwan oder in einer Behinderteneinrichtung in der Türkei. „Corona steht uns da im Moment im Weg“, erklärt Sven Dombrowski, „aber normalerweise sind es etwa 15 Prozent der Elftklässler, die ein Auslandspraktikum machen.“ Individuelle Förderung wird groß geschrieben, die Persönlichkeits-entwicklung und das selbstverantwortliche Lernen werden unterstützt. Individuelle Stärken können die Schüler so entfalten. Konzeptionell ist all das im „Meinerzhagener Modell“ eingebunden. In der Qualitätsanalyse, die NRW wie an allen nordrhein-westfälischen Schulen vergangenes Jahr auch am Evangelischen Gymnasium durchführte, werden die Meinerzhagener dafür gelobt.
Im Untergeschoss der Schule befindet sich die Aula, in der am 10. November die Kreissynode tagt. Den Weg dort hin weist eine mächtige Kirchenglocke, die auf einem Absatz oberhalb der Aula-Eingangs aufgestellt ist. Es handelt sich um die mittlere der drei alten Glocken der Jesus-Christuskirche. Die hat bekanntermaßen vor drei Jahren ein neues Geläut erhalten. Die „Neuen“ sind aus Bronze. Die alte Glocke wurde noch aus Stahl gegossen. Fast hundert Jahre hat sie ihren Dienst verrichtet und den Meinerzhagenern zuverlässig und pünktlich die Stunde geschlagen. Wie gut, das es im neuen Schulgebäude einen angemessenen Platz gefunden hat und jetzt sinnbildlich für die Verbundenheit des Gymnasiums mit der evangelischen Jesus-Christus-Gemeinde steht.