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Gäste werden Freunde
13.10.2022

LÜDENSCHEID + In allen Religionen und Kulturen ist Gastfreundschaft ein hohes Gut. In der Bibel, im Talmud und im Koran gibt es dafür zahlreiche Beispiele. Als wesentlicher Beitrag zu einem friedlichen, vertrauensvollen Umgang miteinander stand die Gastfreundschaft daher am Mittwoch beim Friedensgebet des Interreligiösen Forums im Mittelpunkt von Texten, Zitaten und Gebeten für den Frieden. „Aus Gästen werden Freunde“ war die Veranstaltung im Jürgen-Dietrich-Forum, zu der Christen und Muslime aus verschiedenen Gemeinden und Moscheen sowie die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit eingeladen hatten, überschrieben.

Neben den Beteiligten hießen Christa Bätz und Achim Riggert als Sprecher des Interreligiösen Forums den 1. Beigeordneter der Stadt Lüdenscheid, Fabian Kesseler, sowie Flüchtlinge aus Afghanistan und der Ukraine beim Friedensgebet willkommen. Das Thema Gastfreundschaft sei durch den Ukrainekrieg und die Flüchtlinge, die hierzulande Schutz suchen, wieder aktuell, erläuterte Riggert. Auf die große Bereitschaft, die Geflüchteten aufzunehmen, aber auch Unsicherheiten, ob dies künftig angesichts hoher Energiekosten und Unwägbarkeiten (Stichwort Italien) so bleiben wird, kam er zu sprechen. „Nach 77 Jahren haben wir wieder einen Angriffskrieg“, ging auch Fabian Kesseler in seinem Grußwort auf den Krieg in der Ukraine ein. Damals habe Deutschland Polen überfallen. Besonders im Osten löse der Krieg große Ängste aus. „Es wird wieder real, was einige dort erlebt haben.“ Auch hierzulande seien die Folgen des Krieges zu spüren. „80 Prozent der Flüchtlinge sind privat untergebracht“, lobte er die Hilfsbereitschaft der Lüdenscheider. Dass Gastfreundschaft ein Beitrag zum Frieden ist, offenbarten die Texte aus den heiligen Schriften, die die Mitwirkenden zum Thema herausgesucht hatten.
Stammvater Abraham machte Cengiz Varli von der Ahmadiyya-Gemeinde dabei als Vorbild für Gastfreundschaft aus. „Auf den Menschen kommt es an, auf unsere Taten“, erklärte er. Aus dem Buch „Mach dir Hoffnung“ brachte Aygül Atac von der Alevitischen Gemeinde die lehrreiche Geschichte eines alevitischen Dichters über Gastfreundschaft mit. Ein kraftloser Hund, zornig vertrieben, entpuppte sich darin als lang erwarteter, verkannter Gast. Als Vertreter der Evangelischen Kirche zitierte Stefan Schick Stellen aus dem Alten und Neuen Testament. „Vielleicht haben manche, ohne zu wissen Engel aufgenommen“, erklärte er. Kein Heil sei von jemandem zu erwarten, der nicht gastfreundlich ist, führte Mustafa Özer Arslan von der Ditib-Moscheegemeinde aus. „Gästen aufzutischen, gehört zum schönsten Erbe unserer Kultur.“ Wer Gastfreundschaft übe, bewirte gleichsam Gott, berief sich Hella Goldbach von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit auf den Talmud. „Gastfreundschaft und Fremdenfeindlichkeit sind für uns unvereinbare Gegensätze.“
Seinen Dank über die Aufnahme hierzulande brachte Achmad Tokhy aus Afghanistan zum Ausdruck. Im Halbrund aufgestellt, sprachen die beteiligten Gemeinden/Gruppen ihre Gebete für den Frieden. Als Vertreterin des Superintendenten sprach Pfarrerin Bettina vom Brocke abschließend das Segenswort. Mit Meister Eckhart ließ sie dabei einen großen Denker des Spätmittelalters zu Wort kommen. Musikalisch umrahmten Kinder der Ahmadiyya-Muslim-Gemeinde die Veranstaltung mit stimmungsvollen Liedern zum Thema. Wie es sich für einen Abend rund um die Gastfreundschaft gehört, endete der Abend mit einem angeregten Austausch bei Fingerfood und Getränken. ©ms