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Antje Seidenstücker: Ich kann so schlecht andere machen lassen und dann selbst nichts tun.
21.6.2017
Von Guido Raith
Sie sind Tag für Tag in den Gemeinden des Evangelischen Kirchenkreises Lüdenscheid-Plettenberg unterwegs, arbeiten im Kreiskirchenamt, dem Friedhofsverband, im Diakonischen Werk oder ehrenamtlich neben ihrem Beruf in den Kirchengemeinden. Und hinter jedem dieser Menschen steckt eine Geschichte, die ihn irgendwann zum Dienst in der Evangelischen Kirche führte, die jedoch kaum jemand kennt. Im Rahmen der Serie Einer von uns... werden nun einige dieser Geschichten erzählt, rücken der Mensch und das Menschliche in den Vordergrund und Kirche bekommt einmal mehr ein Gesicht.
Eine von uns... ist Antje Seidenstücker. Sie ist viel beschäftigte Diplom-Finanzwirtin im Außendienst, hält Fach-Vorträge in Sachen Umsatzsteuer, ist Mutter von zwei Töchtern im Alter von fünf und neun Jahren, wohnt mit ihrem Mann und zwei Töchtern in Grevenbrück, engagiert sich als Presbyterin der Evangelischen Kirchengemeinde Lennestadt-Kirchundem, ist Finanz-Kirchmeisterin und gestaltet im Kreissynodalvorstand die Veränderungen im Ev. Kirchenkreis Lüdenscheid-Plettenberg maßgeblich mit. Ihr zusätzliches kommunalpolitisches Engagement im Ortsverein der SPD hat sie gerade aus Zeitgründen etwas heruntergefahren. Doch wer nun angesichts dieser vielfältigen beruflichen und privaten Schnellstraße einen ergeizigen und an Karriere orientierten Menschen vor sich sieht, der liegt falsch: Antje Seidenstücker ist bescheiden. Mit ihrer freundlichen Ausstrahlung und einem offenen Lächeln erklärt sie fast zaghaft ihre Motivation: Ich kann so schlecht andere machen lassen und dann selbst nichts tun. Und scherzhaft fügt sie hinzu, sie habe schon immer so ein gewisses Helfer-Syndrom gehabt.
Ihre Kindheit verbrachte die Tochter zweier Religionslehrer ...von Kleinauf oft im Kindergottesdienst, entdeckte im Kinderchor schon früh ihre große Leidenschaft für den Gesang, nahm an Christlichen Freizeiten teil, war Konfirmandin, fühlte sich später auch beim CVJM sehr wohl und erinnert sich bis heute noch gerne an den regen kleinen Bibelkreis mit nur drei Leuten. Beim Krippenspiel war sie bis zum Alter von 16 Jahren jedes Jahr dabei, bis sie ...vom Hirten bis zur Mutter Maria alle Rollen einfach durch hatte. Später begann dann ihr erster Lektorendienst bei der Evangelischen Kirche, sie war mit in der Jugendarbeit aktiv und trat dann dem Kirchenchor bei.
Als Antje Seidenstücker schließlich die Idee hatte, Theologie zu studieren, boten sich hier kaum Zukunftsperspektiven, und so verwarf sie das Studium und absolvierte ihre duale Ausbildung bei der Finanzbehörde. Ihren Einsatz für die ehrenamtliche Arbeit in der Kirche schmälerte das keinesfalls. Presbyterin zu werden, ist gar nicht so schwer, erinnert sich Antje Seidenstücker, die nun schon seit dem Jahr 2004 dabei ist und die Aufgaben der Finanzkirchmeisterin übernommen hat. Es geht um Engagement mit Herz, und da mache ich es oft lieber selbst, erklärt sie und beschreibt damit nicht ohne Stolz auch eine Haltung, die gerade in der absoluten Diaspora häufig zum Alltag gehört: Wir regeln hier in der Gemeinde viel selbst. In dem allerletzten und größten Zipfel des Kirchenkreises Lüdenscheid-Plettenberg erscheine es auch manchmal so, als wäre der Weg vom Kreiskirchenamt hierher länger, als umgekehrt, erläutert sie ohne Argwohn und beschreibt als Folge einen positiven Pragmatismus.
Dass Kirche eine Zukunft hat mit ihrer Spiritualität, ist Antje Seidenstücker wichtig. Wenn man sich die Kernaussagen unseres Glaubens ansieht, ist es nämlich genau das, was alle suchen. Natürlich gäbe es Strukturen und Probleme in der Kirche, die einem selbst vielleicht auch nicht immer so gefielen, aber ...man hat selber auch Fragen es ist ein Glaube. Was manchmal störe, wären die langen Entscheidungsprozesse in einem komplizierten, manchmal zermürbenden kirchlichen System. Was sie in jedem Fall an der Evangelischen Kirche hält, sei die Gleichberechtigung, so Antje Seidenstücker. Wenn Frauen nicht predigen oder die Evangelien lesen dürfen, geht das gar nicht. Das Miteinander und Füreinander zähle.
Und dann outet sich die sympathische Grevenbrückerin ganz nebenbei auch als Luther-Fan: Er ist nach wie vor eine spannende Persönlichkeit und hatte den Mut, vieles öffentlich zu machen. Und er ist nicht eingeknickt.
Unterschiedliche Meinungen gibt es auch in den verschiedenen kirchlichen Gremien, in denen Antje Seidenstücker mitwirkt. Für sie kein Problem: Wir haben ein Super-Presbyterium und können sehr gut diskutieren.
Man müsse auch alles mit Humor und nicht zu verbissen sehen, lächelt die bekennende Sauerländerin durch und durch, für die ihre Heimat in Grevenbrück große Lebensqualität hat. Man kennt sich. Man hilft sich. Das finde ich einfach schön. Und wenn ihr nach einem langen Tag mit Wegen von ihrem Büro in Olpe über Brilon, Arnsberg oder das Ruhrgebiet noch ein wenig Zeit am Feierabend bleibt, genießt sie zuhause auch die Natur, entweder beim entspannten Joggen oder auf dem Fahrradsattel in der näheren Umgebung rund um Grevenbrück. Vielleicht ergibt sich ja auch einmal die Gelegenheit, ihre Stimme zu hören, wenn sie als Hochzeitssängerin solo in der Kirche vor vielen Menschen auftritt. Wenn sie Zeit hat...dann macht sie das auch noch.