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Berührende Geschichte über Schuld und Unschuld
21.1.2025
Von Martin Büdenbender
HALVER + Der Wert eines Buches hängt nicht von der Anzahl seiner Seiten ab. Wichtig ist doch eher, dass es uns etwas zu sagen hat. Und das, was wichtig ist, lässt sich nicht selten besser mit wenigen Worten erzählen. So verhält es sich auch mit dem nur 50 Seiten starken Büchlein des Halveraner Autoren Markus J. Beyer. „Und am Himmel kein Zeichen“ ist ein Gleichnis, eine kurze Geschichte, die das wohl traurigste und beschämendste Kapitel Deutscher Geschichte thematisiert. Zwar liegen 2. Weltkrieg und Holocaust mittlerweile mehr als ein dreiviertel Jahrhundert zurück, sind aber durch die jüngsten Ereignisse von drängender Aktualität. Dabei kann der Autor nicht mal an den Ukraine-Krieg gedacht haben. Denn sein Taschenbuch ist bereits 2017 erschienen. Aber Beispiele für Genozide und vernichtende Kriege gab und gibt es auch ohne die Ereignisse in der Ukraine viel zu viele. Man denke nur an das Massaker von Srebrenica, den Völkermord in Ruanda oder den nun schon seit elf Jahren tobenden Bürgerkrieg in Syrien. Immer geht es dabei um Macht und Machterhalt. Grund zur Sorge vor solchen Entwicklungen muss man auch (wieder) in Deutschland haben. Rechtsradikale Tendenzen zeichnen sich schon seit Jahren ab. Die Ausländerfeindlichkeit nimmt beständig zu. Misstrauen und Missgunst wachsen.
Ein Buch nicht nur gegen das Vergessen
Markus J. Beyer, 1967 in Plettenberg geboren und in Halver wohnend, hat sich vor allem als Kinder- und Jugendbuchautor einen Namen gemacht. Seine fantasievollen Erzählungen gefallen aber auch Erwachsenen. Im Falle des Gleichnisses „Und am Himmel kein Zeichen“ verhält es sich umgekehrt. Es richtet sich an Erwachsene, hat aber auch seinen Wert für jugendliche Leser. Allerdings stellt sich die Frage: Versteht man das Gleichnis, wenn man dieses düstere Kapitel deutscher Geschichte gar nicht kennt? Wobei „kennen“ lediglich meint, aus Erzählungen, alten Dokumenten und Filmen davon gehört, gelesen oder gesehen zu haben. Die Zahl derer, die die nationalsozialistischen Gräueltaten selbst miterlebt haben, wird immer kleiner. Die Mehrzahl der Deutschen weiß, wenn überhaupt, nur aus Erzählungen und Dokumentationen vom Holocaust. Marcus J. Bayers Gleichnis ist ein Buch gegen das Vergessen, und eines, dass die Schrecken von einst aufzeigt.
Wie jedes Gleichnis veranschaulicht Beyers Erzählung einen Sachverhalt durch bildhafte Beschreibungen. Sie zeigt auf, wie Gutes und Böses die Geschicke der Menschen bestimmen. Dabei ist das Bild, was Beyer zeichnet, sehr dicht an der schrecklichen Wirklichkeit der Dinge gehalten, die sich vor mehr als 70 Jahren ereigneten. Mit den Fragen, wie es zu so entsetzlichen Taten kommen konnte und leider auch immer wieder kommen kann, und warum es so abgrundtief Schlechtes und andererseits so faszinierend Gutes gibt, beschäftigt Beyer sich allerdings kaum. Die Existenz des Bösen nimmt er als gegeben hin.
Ihm ist vielmehr wichtig, die Schrecken des Holocaust mahnend aufzuzeigen, damit sie sich nicht noch einmal wiederholen. Mit der Bildhaftigkeit eines Gleichnisses, aber auch mit der Magie unausgesprochener Worte und Andeutungen gelingt ihm das besser, als es eine Dokumentation vermöchte, etwa wenn er schreibt: „Dann blickte sie hinauf zu den Schornsteinen (des KZ-Krematoriums). Der schwarze, böse Rauch am Himmel war das einzige Zeichen, dass unzählige Menschen nicht mehr Mensch waren.“ Beyer lässt Bilder im Kopf der Leser entstehen und weckt Mitgefühl für die Hauptperson des Geschehens, ein Kind, das Lämmchen gerufen wird. Kind und Lamm, beides steht für die Unschuld. Das Kind versucht dem um sich greifenden Bösen Einhalt zu bieten. Nicht mit Waffen, sondern mit seinem Lächeln stellt es sich dem Bösen entgegen. Beyer nennt es „ein entwaffnendes Lächeln“. Das kindliche Lächeln ist wie ein friedvoller Protest oder gewaltfreier Widerstand.
Das Ende steht für einen Anfang
Nur vordergründig scheint die Geschichte tragisch zu enden. So wie eine ähnliche Geschichte, vor etwas mehr als 2000 Jahren. Auch sie scheint tragisch zu enden und dennoch steht sie für viele Menschen gleichbedeutend für Glaube, Hoffnung und Liebe. Wie diese, steht auch in Beyers Gleichnis das Ende für einen Anfang. Die Unschuld stirbt und die Wahrheit lebt weiter. Gleichsam als Appell, nicht zu vergessen, lautet der letzte Satz seiner Erzählung: „Und das Lächeln wurde Erinnerung.“
Über den Autor
Markus J. Beyer wurde 1967 in Plettenberg geboren und hat in Bochum und Passau Katholische Theologie und in Dortmund Deutsch und Geschichte auf Lehramt studiert. Er wohnt in Halver, unterrichtet seit 1995 als Lehrer in Ennepetal und hat sich als Autor phantasievoller Kinder- und Jugendromane einen Namen gemacht. Mit dem Roman „Dunkle Dichter“ (erschienen im Wollverlag) hatte das Komplett-Magazin bereits in der Winterausgabe 2019 ein von ihm herausgegebenes Buch vorgestellt. Hieraus die Frage an den Autor:
Warum ein Gleichnis? Warum so eine alte, unmoderne Textgattung?
Markus Beyer: „Weil sie mehr ausdrückt, als es zunächst den Anschein hat. Weil hinter der Ebene der Worte eine viel tiefere verborgen liegt. Eine Bedeutungsebene, die es zu entdecken lohnt. Die nicht nur etwas über die Menschen damals aussagt, sondern mich selbst im Text spiegelt: Wie hätte ich mich damals verhalten? Wer wäre ich gewesen? Die Mutter. Der Nachbar. Der gute Mensch. Der ESS-Mann. Einer der Blinden, der Schatten. Oder einer der Menschen mit dem gelben Stern. Es gehört Mut dazu, genau hinzuschauen. Denn der Spiegel zeigt vielleicht mehr, als ich sehen will. Etwas, das mir gar nicht gleicht. Und doch, vielleicht gleicht es mir mehr, als ich denke. Weil hinter dem Schein das Sein geheimnisvoll aufleuchtet. Darum ein Gleichnis.“
Info:
„Und am Himmel kein Zeichen“ (Untertitel: Ein Gleichnis für Mutige) von Markus J. Beyer wurde kürzlich in einer überarbeiteten Auflage mit den Buchhandelsdaten ISBN: 978-3-757517-57-1 neu veröffentlicht. Es kann Online sowie über den lokalen Buchhandel erworben werden