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Von der Kalve aus mit West-Papua verbunden

16.6.2021

Pfarrer Friedrich Tometten mit der kompletten Bibel in die Yali-Sprache und der Kinderbibel vor einer Karte, die auf der rechten Seite West-Papua als Teil der Republik Indonesien zeigt. (Foto: Ingrid Weiland)
Pfarrer Friedrich Tometten mit der kompletten Bibel in die Yali-Sprache und der Kinderbibel vor einer Karte, die auf der rechten Seite West-Papua als Teil der Republik Indonesien zeigt. (Foto: Ingrid Weiland)

LÜDENSCHEID + Friedrich Tometten war Pfarrer in Ennepetal-Voerde und für 15 Jahre (1998 bis 2013) in Meinerzhagen. Seitdem er zusammen mit seiner Ehefrau vor fünf Jahren nach Lüdenscheid gezogen ist, übernimmt er – außer in Meinerzhagen - manchmal auch Predigtdienste in Brüninghausen, Oberbrügge, in der Erlöser- und in der Apostelkirche in Lüdenscheid. Vor allem aber ist er im Dienst der VEM (Vereinten Evangelischen Mission) in Wuppertal, in deren Bildungszentrum er schon von 2013 bis 2018 Seminare mit dem Schwerpunkt „Interreligiöser Dialog“ leitete, als theologischer Dozent und Bibelübersetzer in West-Papua (westlicher Teil von Neuguinea) tätig. Zum einen bildet er dort einheimische Gemeindeleiter aus, die er anschließend auch begleitet, und zum anderen arbeitet er im Auftrag der Indonesischen Bibelgesellschaft an mehreren Bibelübersetzungen mit. Dies ist zurzeit leider nur von seinem Homeoffice auf der Kalve aus möglich. Doch das Internet verbindet ihn mit Übersetzerinnen und Übersetzern in der ganzen Welt.

 

1988 reiste er zum ersten Mal ins ca. 15.000 Kilometer von hier entfernte Hochland von West-Papua aus, wo auch zwei seiner vier Kinder – fernab von jeder Zivilisation – geboren wurden. Eine Reise bis zur Endstation auf einer Graspiste im Urwald, die er normalerweise zweimal im Jahr zurücklegt, dauert generell vier Tage. Schon während seines ersten West-Papua-Aufenthalts wurde er von Einheimischen dazu gedrängt, das Alte Testament in die Yali-Sprache zu übersetzen. Diese gehört zu den am meisten gesprochenen Sprachen in West-Papua (unter insgesamt 270 Sprachen), und sie würde verloren gehen, wenn sie nicht in eine schriftliche Form gebracht würde. Tometten sagte zu und übersetzte zusammen mit einem Dutzend einheimischer Kollegen in der Zeit von 1991 bis 1998 einen großen Teil der alttestamentlichen Texte in die Yali-Sprache. Das Neue Testament war bereits von einem Vorgänger Tomettens übersetzt worden. Zusammen mit ihm beteiligten sich aber Hunderte mit ihren Korrekturen an der Fertigstellung der gesamten Bibel.

 

Die Übergabe der vollständig gedruckten, 2000 Seiten starken Bibel („Allah Wene“= Gottes Botschaft), die im Jahr 2018 mit Gesang und Tanz und überschäumender Fröhlichkeit in einem Festgottesdienst gefeiert wurde, war dann ein großes Ereignis. Gleichzeitig fand die Überreichung der 250 Seiten umfassende Kinderbibel in der Yali-Sprache statt. Zusammen mit anderen hat Pfarrer Tometten auch Lieder gesammelt oder selbst verfasst, um ein umfangreiches Kirchengesangbuch zusammenstellen zu können. Mit einer Reihe von Beispielen veranschaulicht er, wie schwierig es ist, Wörter in die Yali-Sprache zu übertragen, die keine abstrakten Begriffe kennt, keine Wörter zum Beispiel für „Liebe“, „Barmherzigkeit“ oder „Gerechtigkeit. „Lieben“ wird beispielsweise mit „jemandem sein Herz schenken“ und „gerecht sein“ mit „jemandem geben, was ihm zusteht“ umschrieben.

 

Tometten bezeichnet die Übersetzungsarbeit als „Abenteuer“. Denn ein Verb hat bis zu 1.000 Verbformen, und „wörtliche Übersetzungen klingen aufgrund der so andersartigen Ausdrucksweise zunächst wie reines Kauderwelsch“. „Übersetzungen in die Yali-Sprache“, so berichtet er „können nur in tage- und nächtelangen Palaverrunden entstehen und müssen noch und noch auf Präzision und Treue zu den biblischen Ursprachen Hebräisch, Aramäisch und Griechisch sowie auf Verständlichkeit für die Hörer geprüft werden“. Das Leben der Yali kreist um Süßkartoffeln – ihre wichtigste Lebensgrundlage und Schweine, die einzigen Haustiere, die sie kennen. Da es in West-Papua keine Schafe gibt, wurde in Kombination mit einem indonesischen Wort der Begriff „Lamm-Schwein“ für die Tiere des guten Hirten in der Bibel kreiert.

 

Jetzt gehört Friedrich Tometten als einziger Ausländer einem Team an, das im Auftrag der indonesischen Bibelgesellschaft für die Revision der ca. 100 Jahre alten indonesischen Bibelübersetzung verantwortlich ist. Er fungiert als Übersetzungsberater für fünf verschiedene Bibelübersetzungsprojekte. Zusammen mit vielen Menschen in anderen Teilen der Welt überprüft er von seinem Schreibtisch in Lüdenscheid aus Übersetzungsergebnisse. Als musikalisch begabter Mensch, der nach seinem Theologiestudium unter anderem ein halbes Jahr als Geiger im Opernorchester in Neapel aufgetreten ist, hat er auch orgelpfeifenähnliche Instrumente aus West-Papua mitgebracht, mit denen er im Rahmen von Vortragsveranstaltungen zum Musizieren einlädt. © ih

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