Artikel Archiv

Ein Mensch, den Gott liebt

11.7.2021

Das Wort zum Sonntag heute mit Gedanken von Bärbel Wilde, Pfarrerin im Ruhestand. (Grafik: EKKLP)
Das Wort zum Sonntag heute mit Gedanken von Bärbel Wilde, Pfarrerin im Ruhestand. (Grafik: EKKLP)

Ich bleibe vor einem Schaukasten stehen. Darin hängt ein Spiegel. Wahrscheinlich gehöre ich zu den Leuten, die nicht so einfach an einem Spiegel vorbeigehen können. Ich schaue hinein. An diesem Tag allerdings ohne große Begeisterung. Ich sollte mal wieder zum Friseur gehen. Mein Blick fällt auf einen Spruch. Er ist unten auf den Spiegel aufgeklebt: „So sieht der Mensch aus, den Gott liebt.“ Wie sieht der Mensch aus?

 

Ich sehe in den Spiegel. Und sehe mich. Bei mir rastet es innerlich ein. Ich bin mit dieser Aussage gemeint. Ich sehe mich an und überlege. Muss ein Mensch, den Gott liebt, nicht besondere Vorzüge haben? Fromm, fröhlich, freundlich und fehlerlos sein. Das bin ich aber nicht. „So sieht der Mensch aus, den Gott liebt.“ Ich lese den Satz noch einmal. Da macht es „Klick“. Gott liebt mich. Ich brauche nicht erst fromme Klimmzüge zu machen, mich nicht religiös aufzupolieren. Er liebt mich nicht wegen meiner Vorzüge, sondern trotz meiner Nachteile. Ich muss mir seine Zuwendung nicht verdienen. Ich kann sie mir nicht erkaufen. Ich brauche mich nicht zu verstellen und ich muss keine fröhliche oder fromme Maske tragen. Gott kennt mich, sogar die Motive meiner Gedanken. Ich darf ich sein. Ich brauche Gott keinen guten Grund zu liefern, um anerkannt zu werden. Gott ist so gut, dass er mich liebt, obwohl er meine Macken und Unvollkommenheiten kennt.


Ich nehme den ganzen Schaukasten in Augenschein. Er gehört einer Kirchengemeinde. Neben dem Spiegel hängt ein Plakat. Ich lese den Ausspruch: „Kein Mensch geht über diese Erde, den Gott nicht liebt“. Jeder, der an dem Spiegel vorbeigeht und hineinsieht, sieht sich selbst. Gott liebt nicht nur voraussetzungslos, sondern auch ausnahmslos. Gott liebt die Welt. Und das heißt doch: Gott liebt alle. Jeder Mensch steht auf dem Wunschzettel Gottes. Wir sind ihm seinen Sohn Jesus Christus wert. Nicht weil ich so liebenswert bin, liebt mich Gott, sondern weil mich Gott liebt, weiß ich, dass ich der Liebe wert bin.

Bärbel Wilde

Einen gesegneten Sonntag wünscht Bärbel Wilde,

Pfarrerin im Ruhestand.

zurück zur Übersicht