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Niedergang, Hoffnung und Rettung
1.4.2023
von Iris Kannenberg
LÜDENSCHEID + Wer das Alte Testament kennt, der kennt den Propheten Jesaja. Er wirkte zwischen 740 und 701 v. Chr. im damaligen zweigeteilten Israel (Süd- und Nordreich). Jesaja kündigte ganz Israel mit dem Großreich Assyrien das Gericht Gottes an. Er verhieß den Israeliten aber auch eine Wende zum Heil, das heißt, zu Befreiung und Gerechtigkeit. Zudem prophezeite Jesaja erstmals konkret einen zukünftigen Messias als gerechten Richter und Retter der Welt, der für die Menschen am Kreuz sterben würde.
Genau um diesen Jesaja drehte sich das gleichnamige Pop-Oratorium von Professor Hartmut Naumann, das am 26. März 2023 unter der Leitung des Kantors der Lüdenscheider Evangelischen Christuskirche Wolfgang Kimpel in seiner Heimatgemeinde aufgeführt wurde. Ein Jahr lang probte der Chor der Christuskirche für diesen Auftritt. Zusammen mit den beiden Solisten Tammy Eicker (Alt) und Christian vom Hofe (Tenor) sowie einer extra dafür zusammengestellten Band bestehend aus Rolf Edgar Gerlach, Piano, Tizian Ottofülling, Bass, Lucas Langbehn, Saxofon und Jens Gerlach, Drums.
Wer Jesaja gelesen hat, weiß, dass Gott sein Volk nicht einfach so in die Verbannung schickte. Er mahnte, bat und flehte, nicht falsche Götter anzubeten, sondern zu ihm, dem allein wahren Gott, zurückzukehren. In Israel war jedoch zu dieser Zeit „gut feiern“. Ein abgefallenes Volk, das Gott fast vergessen hatte. Gerade die Könige und Fürsten schrieben sich ihren Erfolg selbst zu. Sie genossen das Leben in vollen Zügen. Auf Kosten des eigenen Volkes, das sie gleichzeitig in die Irre führten. Die Ungerechtigkeit schrie zum Himmel. Bis Gott buchstäblich „der Kragen platzte“. Er zog seine Hand zurück. Das Resultat: Kein Segen mehr, dafür die Assyrer vor der Haustür. Ein wahrgewordener Alptraum. Bis auf wenige Ausnahmen ging Israel als Sklave in ein fremdes Land. Gott ließ damit zu, dass sein geliebtes Volk alles verlor, durch die tiefste Dunkelheit ging und letztendlich begriff, dass es nur einen Weg zurück in die Freiheit gab: Aufrichtige Reue und Hinwendung zu JAWEH, dem Gott Israels.
Die musikalische Umsetzung der Geschichte um die Verschleppung der Juden nach Babylon und ihre Rückkehr in ihr Land nach 70 Jahren, lebte an diesem Abend besonders durch die musikalisch exzellent inszenierte starke Spannung zwischen Niedergeschlagenheit, Hoffnung und Befreiung. „Jesaja“ behandelt die lange Gefangenschaft thematisch aus der Sicht der Verschleppten, spannt einen Ereignisbogen und besticht in seiner Gesamtheit durch die aktuellen Parallelen zur Jetztzeit. Fast tagespresseartig beschreibt es die Gefühle und Nöte eines Volkes ohne Gott. Den Niedergang aller kulturellen Werte, Gottesferne, Egoismus und schließlich den tiefen Fall in die Sklaverei. Jedoch auch Erweckung, Buße und Hinwendung zurück zu Gott. Einem Gott, der langmütig zum Zorn und sensibel ist, den man verletzen kann, der um seine Menschen trauert und sie letztendlich nur zu einem einzigen Zweck preisgibt: Um sie zu retten. Denn wer in höchster Not ist und nichts mehr zu verlieren hat, der beginnt zu beten. Für den wird Gott wieder real, da es sonst nichts mehr gibt, das noch helfen könnte.
Unter der Leitung von Wolfgang Kimpel gab der Chor sein Bestes. Die gewaltigen Songs wurden musikalisch jeweils eindrucksvoll umgesetzt. Die zwei Solisten unterstützten das Ensemble dabei mit ihren wunderbaren Stimmen. Beide meisterten engagiert, feurig und überzeugend selbst die anspruchsvollsten gesanglichen Passagen. Begleitet wurden Chor und Solisten von der Band, die die Sänger professionell unterstützte und durch die schwierigsten Lieder sicher hindurchleitete. Herausragend: Saxofonist Lucas Langbehn und seine Soli. Wirklich bemerkenswert. Dirigent Wolfgang Kimpel setzte neben seinem anspruchsvollen Dirigat klangvolle Akzente an der Posaune. Ein Instrument, das kaum besser zu Weltuntergangsstimmung, Buße, Hoffnung und der Freude an Gottes himmlischem Eingreifen passen könnte.
Er gab den Besuchern zum Abschluss des Konzertes sinngemäß folgende Worte auf den Heimweg mit: „Wir als Gläubige sind oft in bedrängenden Situationen. Es geht uns in dieser Welt nicht immer gut. Was uns Gott jedoch durch sein Wort zusagt, ist folgendes: Auch wenn man es uns nicht ansieht und wir uns meistens nicht so fühlen, sind wir nicht wirklich diejenigen, die ganz da unten sind, sondern eigentlich die „Oberen Zehntausend“ dieser Welt. Die mit ihm in seinem Reich wohnen werden. Das sollten wir uns bei allen Problemen immer wieder verdeutlichen. Wir sind seine Kinder und er ist auf unserer Seite. Bedingungslos durch seinen Sohn Jesus Christus. Wir müssen ihn nur lassen.“
Die „Message“ des Pop-Oratorium „Jesaja“ könnte klarer nicht sein und wurde verstanden: Die Bibel ist aktueller denn je. Sie beschreibt in eindringlicher Weise, was geschehen kann, wenn wir uns von Gott entfernen. Wir sollten an seiner Hand bleiben, dürfen aus der Geschichte Israels lernen und uns immer wieder daran erinnern, dass wir Gott dringend brauchen, um unser Leben in seinem Sinne zu meistern.
Insgesamt ein bewegender, stimmungsvoller und durchaus ergreifender Abend in der vollbesetzten Lüdenscheider Christuskirche. Das Publikum dankte den Musikern mit Standing-Ovations und anhaltendem Applaus. Völlig verdient. ©ik