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Engagement gegen eine Abschiebekultur

23.9.2017

 

 

 

 Von Wolfgang Teipel

Lüdenscheid/Märkischer Kreis. Haltung zeigen, in Flüchtlingsfragen klare Position beziehen, sich einmischen - das will der Fachbereich Migration im Diakonischen Werk des Kirchenkreises Lüdenscheid-Plettenberg. „Nach der Willkommenskultur bewegen wir uns jetzt in Richtung Abschiebekultur“, kritisiert Fachdienstleiter Michael Wirth. „Dem müssen wir Einhalt gebieten.“

Das Problem bei der Integration seien nicht die Flüchtlinge, sondern Erschwernisse, verursacht durch die unterschiedlichsten Behörden und Bestimmungen sowie durch die Politik. Michael Wirth und Susanne Diebel aus der Beratungsstelle an der Frankenstraße berichten von Einzelfällen. Da stehen einem die Haare zu Berge.

Da ist der Kfz.-Mechaniker aus Afghanistan. In seiner Heimat hat er über viele Jahre den Fuhrpark von US-Militärs gewartet. Ein Fachmann. Er spricht inzwischen gut Deutsch. „Ich kann mich mit ihm über komplexe Sachverhalte unterhalten“, sagt Michael Wirth. Es gibt sogar eine Autowerkstatt in Lüdenscheid, die den Mann sofort einstellen würde. Bislang waren alle Bemühungen der Beratungsstelle vergeblich. Woran liegt’s? Michael Wirth zuckt die Achseln. „Es hakt an jeder Stelle ein bisschen. So machen wir uns die Integration selbst schwer.“ Sicherlich sei es wichtig, Richtlinien und Gesetze zu beachten. Die aktuelle Handhabung erschwere aber die Integration. Zudem werde das Problem bei den Flüchtlingen abgeladen. „Man hört immer wieder: Die wollen ja gar nicht arbeiten.“

Falsch, sagt Michael Wirth. Er wünscht sich wie Susanne Diebel, Theresa Kleinsorge und Jörg Hornung-Schmidt von der Migrationsberatungsstelle den zweiten oder auch dritten tieferen Blick auf oftmals traumatisierte Geflüchtete und ihre schwierige Situation in Deutschland.

„Sie leben unter Druck. Viele wissen gar nicht, ob sie bleiben dürfen.“ Für diese Lage fehle an vielen Stellen das Verständnis. Dazu komme, dass die anfängliche Solidarität mit Flüchtlinge schwinde. Die politische Zerrissenheit zeige das Tag für Tag.

Pro Asyl formuliert es in einer Veröffentlichung zur „Interkulturellen Woche 2017“ drastisch: „Die Bundesregierung und die Regierungschefs der EU-Staaten sind auf der Flucht. Sie fliehen vor der Realität. Vor Europas Grenzen tobt ein unerbittlicher Krieg in Syrien und in Deutschland wird das Asyl und Aufenthaltsrecht weiter verschärft. An Europas Grenzen steht die Zukunft des Flüchtlingsschutzes auf dem Spiel. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Frage, ob das Recht auf Asyl in Europa noch erreichbar ist. Es besteht die Gefahr, dass es zu einer Fata Morgana wird: Ein schönes, aber unerreichbares Trugbild.“ Die Mitarbeiter aus der Beratungsstelle wollen solchen Entwicklungen entgegenwirken und den Gedanken der Solidarität hochhalten.

So haben sie gegen die Abschiebung einiger Mitglieder einer lybischen Familie eine Petition eingereicht - auch ein Zeichen in der am 24. September endenden deutschlandweiten „Interkulturellen Woche“ „Es kann doch nicht sein, dass eine Familie, die auf der Flucht Dramatisches erlebt hat, durch die Abschiebung der Töchter auseinandergerissen wird“, sagt Michael Wirth. Die besondere Tragik in diesem Fall: Der Vater, der in Deutschland bleiben dürfte, werde wohl seinen abgeschobenen Kindern nachreisen.

Info: Bei einer Veranstaltung zum „Tag des Flüchtlings“ wird der Dortmunder Rechtsanwalt Manuel Kabis wichtige Aspekte und Entwicklungen des Asylrechts beleuchten. Die Veranstaltung findet am 19. Oktober statt. Der Veranstaltungsort wird noch bekanntgegeben. Eingeladen sind alle, die haupt- oder ehrenamtlich in der Flüchtlingsberatungen und -betreuung arbeiten.

 

 

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