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„Die Reformation war auch eine Singe-Bewegung“

10.10.2017

Foto: Raith
Foto: Raith

  

Von Guido Raith

Vor vielen Jahren hatte er sein Vikariat bei Pfarrerin Bärbel Wilde in der Christus-Kirchengemeinde absolviert. Für einen Abend kehrte Pfarrer Reinhard Ellsel aus Lübbecke nun nach Lüdenscheid zurück, um hier im Rahmen der Veranstaltungsreihe zum Reformationsjubiläum im Ev. Kirchenkreis Lüdenscheid-Plettenberg über die Lieder der Reformationszeit zu referieren.

Rund 20 Zuhörer hatten den Weg in das Gemeindezentrum der Erlöserkirche gefunden, um hier in beinahe familiärer Runde mehr über das musische Talent Martin Luthers und dessen Zeitgenossen zu erfahren. Und Reinhard Ellsel ließ seine Gäste teilhaben: Unterstützt durch Lichtbilder und unterbrochen durch gemeinsame gesangliche Einlagen entsprechender Kirchenlieder gewann das Thema durchaus an Lebendigkeit.

Mit dem aus der Reformationszeit wohl bedeutendsten Lied „Eine feste Burg ist unser Gott“ stimmten sich die Zuhörer und Gastgeber Pfarrer Holger Reinhardt mit dem Referenten auf die Musik der Reformation ein. Dies sei ein Lied gegen die Angst gewesen, erläuterte Ellsel, „...ein Lied des Trostes und des Vertrauens“. Luther habe erfahren, wie eine befestigte Burg, die Schutz gewährt, so sei Gott für uns.

Doch nicht immer habe Luther solch ein Zutrauen zu Gott gehabt. Oft wäre der Augustinermönch der Frage nachgegangen „Wie kriege ich einen gnädigen Gott?“, bis ihm endlich aufgegangen sei, „Wirkliches Leben ist Gnade. Das ist ein Geschenk von Gott“. In der Liedzeile „Fragst du wer der ist? – Er heißt Jesus Christ“ im Stück „Eine feste Burg“ sei die Grunderkenntnis der Reformation zu sehen, so Ellsel. „Allein Christus – Solus Christus“ sei die Wiederentdeckung des Evangeliums gewesen. Und das wollte auch von der Gemeinde gesungen werden, erläuterte der Referent. Ellsel: „Die Reformation war auch eine Singe-Bewegung.“

Der Tod der ersten Märtyrer der Reformation im Jahr 1523 wäre für Luther ein Schock gewesen, und in einer Stimmung von Trauer und Trotz habe er sein erstes Protestlied geschrieben und damit ein neues Medium entdeckt. Es sei ein Transportmittel gewesen, mit dem er seine reformatorische Erkenntnis habe weitertragen können. 39 Lieder und Gesänge wären von Luther bekannt. In den ersten Jahren seien zwei Drittel seiner gesamten poetischen Produktion entstanden, so Ellsel.

Beim Blick in Luthers Dichterwerkstatt erläuterte Reinhard Ellsel, der Reformator habe das vorhandene Liedgut gesammelt und gesichtet. Nicht um jeden Preis habe er Neues schaffen wollen, sondern sich an die Tradition angelehnt, das, was dem Volk schon bekannt ist, zu neuem Leben zu erwecken. Vor der Reformationszeit wäre die Gemeinde nur selten am christlichen Liedgut beteiligt gewesen und „...die Leute wollten so etwas haben und sie verstanden von der lateinischen Messe ja auch wenig.“ Ellsel: „Luther aktivierte die Gemeinde und beteiligte sie am Gottesdienst.“ Irgendwann habe er dann auch andere Dichter und Schreiber gesucht, die Lieder im reformatorischen Geiste schreiben. Unterstützung habe Martin Luther schließlich durch zahlreiche Zeitgenossen bekommen, unter ihnen Paul Speratus, Johannes Zwick, Johannes Calvin oder Michael Weiße, die Reinhard Ellsel den Zuhörern in ihrem Schaffen kurz skizzierte. 

 

Im Spätsommer 1524 schließlich sei das Erfurter Handbüchlein erschienen. Es habe neben Liedern von Martin Luther und einzelnen Gesängen anderer Zeitgenossen dann auch ein Lied von einer Frau enthalten. Das sei eine Sensation gewesen, so Ellsel, denn damals hätten Frauen auch in der Kirche nicht besonders viel zu sagen gehabt. Ellsel: „Aber die Reformatoren waren ihrer Zeit voraus.“

Das Lied „Herr Christ, der einig Gotts Sohn“, das bis heute gesungen werde, sei von Elisabeth Cruciger gedichtet worden, die sich nach ihrem Austritt aus dem Kloster in Wittenberg den Reformatoren angeschlossen habe.

Im Anschluss an den Vortrag gab es noch die Gelegenheit zur Diskussion.

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