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Vorlesen war gestern...
16.10.2017
Timo Jarms gewann den Poetry-Slam in der Jesus-Christus-Kirche.
Von Guido Raith
Frei heraus Machtworte über das Leben, den Glauben und die Freiheit mit Feuereifer die eigene Meinung herausposaunen - dieser Überschrift und Einladung in die Evangelische Jesus-Christus-Kirche in Meinerzhagen waren sie gefolgt sechs junge Dichter, Denker, Schreiber, oder neudeutsch Poetry-Slammer mit Wurzeln im Sauerland, und natürlich hatte jede(r) etwas zu sagen.
Auf Initiative von Pfarrerin Sophie Ihne und Religionslehrerin Katharina Wnuk, die auch durch das Programm führten, gab es den ersten Poetry-Slam anlässlich des Reformationsjubiläums auf den Spuren des wortmächtigen Martin Luther. Vorlesen war gestern, denn wo die reine Wiedergabe des selbst Verfassten aufhört, fängt der Poetry-Slam erst an. Vom lautstarken, rythmischen Statement bis hin zur performativen Selbstinszenierung lässt der literarische Wort-Wettbewerb auf der Bühne, bei dem am Ende das Publikum den Sieger der Herzen kürt, beinahe alles zu, was Eindruck hinterlässt. Special Guest an diesem Abend: Der erfahrene Poetry-Slammer Marco Michalzik aus Darmstadt, der mit seiner Dichtkunst außer Konkurrenz an das Mikrophon trat
Marco Michalzik.
Mit Wo die Kunst beginnt trat Mira Weiß vor den Altar und stellte sich die Frage Wieso bin ich kein Künstler mehr? Ich kann es nicht begreifen, wie er es schafft, mich einfach abzustreifen, bekannte sie, nach Hoffnung suchend und fand sich schließlich wieder ...im größten Kunstwerk, das es gibt in der Welt unseres Schöpfers.
Mira Weiß.
Mit Gitarre und Gesang suchte und fand Christian Schmitt mit seinem bittersüßen Irgendwie dann sein Publikum, gefolgt von Luca D'Ortona, der seine imaginäre Unterhaltung zwischen Christ und Atheist teils in unglaublicher Geschwindigkeit im Hip-Hop-Style vortrug und dabei mit augenzwinkerndem Blick auf kommerzielle Phrasen am Rande bemerkte: Mit Gott an meiner Seite ist es leider geil.
Christian Schmitt.
Die Auftritte des Profi-Slammers Marco Michalzik, gefolgt von musikalischen Zwischenspielen von Ben Köster an Piano und Orgel, hinterließen die Zuhörer in der zur Hälfte besetzten Jesus-Christus-Kirche immer nachdenklich. In Heute ist morgen schon Gestern fragte er Wie soll ich mit meinem mickrigen Verstand den begreifen, der den Verstand einst erfand? und nahm das Publikum immer wieder mit auf nachhaltige Gedankenreise zu sich selbst, der eigenen Position und dem Hinterfragen alltäglicher Selbstverständlichkeiten.
Luca D'Ortona.
Ganz ohne Schnörkel dann Florian Theiß auf der Bühne. Warum der barmherzige Samariter nicht in die CDU eintritt war deutliches Statement für ein gelebtes soziales Christsein und der 16-jährige appellierte klar: Liebe Partei mit dem C: Helft doch mal den Armen, oder streicht das C aus dem Namen.
Florian Theiß.
In Einfach frei, einfach sein stellte Isabelle Schmidt dann fest: Du bist nicht bei den Wolken, nicht fern, wie von einem anderen Stern. Du bist bei mir, in mir, um mich herum, und ich bin geborgen in deiner Hand.
Isabelle Schmidt.
Mit Gottes Gerechtigkeit beschäftigte sich dann Timo Jarms in poetischer Form und beschwor den ins Zweifeln geratenen Christen. Ein Leben lang habe ich geglaubt und dann lässt du mich im Stich?, fragte er und beschrieb dann eindrücklich die menschlichen Ängste, wenn ein Glaubender sich von Gott verlassen fühlt. Was ist mit Krieg, Hass und Tyrannei?, klagte er an und rief von der Bühne: Gott Hey, ich spreche mit dir! Was willst du von mir? Wie lange soll ich das noch ertragen? Erlöst wurde der Zuhörer dann doch am Ende mit der Erkenntnis: Manchmal spricht er Gutes nicht gut und Schlechtes nicht schlecht. Aber geht es ums Ganze, ist unser Gott gerecht.
Ein knappes Votum eines begeisterten Publikums bescherte Timo Jarms schließlich den Sieg im ersten Poetry-Slam in der evangelischen Jesus-Christus-Kirche. Und am Beifall ließ sich ermessen, dass die Meinerzhagener sicher nichts gegen eine Wiederholung dieses Dichter-Wettstreits hätten.