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29.3.2025

Der eigentliche Ruhestand hat sich für Klaus Majoress anders entwickelt als gedacht (Foto: Kannenberg)
Der eigentliche Ruhestand hat sich für Klaus Majoress anders entwickelt als gedacht (Foto: Kannenberg)

Von Iris Kannenberg

 

KIRCHENKREIS + Der Ruhestand markiert für viele Menschen einen bedeutenden Wendepunkt im Leben. Für einen Superintendenten aus der Evangelischen Landeskirche ist dies nicht anders. Nach Jahren des Dienstes im Evangelischen Kirchenkreis Lüdenscheid-Plettenberg übergab Klaus Majoress 2020 den „Staffelstab“ seines Amtes an seinen Nachfolger Dr. Christof Grote. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge, wie er damals selbst sagte. Nach den vielen Jahren als Hauptamtlicher in der Evangelischen Landeskirche erschien es ihm erst einmal nicht ganz so einfach, „auszusteigen“. Das Positive: Kein voller Terminkalender mehr, dafür Zeit für sich selbst und vor allem für die Kinder und Enkel. Eine durchaus attraktive Alternative zu einem Leben voller Stress und Verantwortung. Als erstes zog er daher nach Herscheid, um in der Nähe seiner Familie zu wohnen.

 

Er nahm sich bewusst die Zeit, sich an die neue Situation zu gewöhnen. Dazu kam im Jahr seiner Amtsübergabe die Corona-Pandemie, in der sowieso alles anders und von unten nach oben und wieder zurückgekehrt wurde. Eigentlich ein perfekter Zeitpunkt, um aus dem aktiven Dienst auszuscheiden, wie er heute selbst sagt.

 

Er gewöhnte sich gut an seinen neuen Tagesablauf, was auch daran liegen mag, dass er seine Identität nicht in seinem „Job“, sondern in Jesus findet. Zudem begann Gott mit ihm über seine Zukunft zu reden, öffnete hier eine Tür und schaffte dort eine neue Perspektive. Dieses Reden Gottes, dass ganz langsam immer lauter wurde, forderte von dem ehemaligen Superintendenten zwar Flexibilität und Offenheit für Veränderungen, kam jedoch auch nicht gänzlich unerwartet. Es fiel bei Klaus Majoress durchaus auf fruchtbaren, vorbereiteten Boden. Er erklärt: „Eigentlich war mir von Beginn an klar, dass es das jetzt nicht war mit dem Dienst. Für mich ist mein Beruf eben in erster Linie Berufung. Eine Berufung von Gott. So etwas legt man nicht einfach ab wie einen alten Mantel und geht dann zum Leben eines ‚Privatiers‘ über. Berufungen durch den Herrn gelten lebenslang. Es änderte sich daher in meinem Leben, wie ich im Nachhinein erkenne, eigentlich nur der Status eines Superintendenten. Nicht aber die Liebe zum Wort, zur Predigt und allem Voran die Hingabe an Jesus Christus.“

Der ehemalige Superintendent gemeinsam mit MdL Ralf Schwarzkopf bei der Dankesfeier zum 3. Oktober 2024 auf dem Lüdenscheider Rathausplatz (Foto: Kannenberg)
Der ehemalige Superintendent gemeinsam mit MdL Ralf Schwarzkopf bei der Dankesfeier zum 3. Oktober 2024 auf dem Lüdenscheider Rathausplatz (Foto: Kannenberg)

Nach dem Umzug begann er, sich in der Herscheider Apostelkirche einzuleben. Er lernte die Gemeindemitglieder persönlich kennen und besuchte regelmäßig Gottesdienste und Veranstaltungen wie die „Thomasmesse“.

 

Selbstverständlich blieb er nicht unbeachtet. Als langjähriger Superintendent des Kirchenkreises genießt er nach wie vor großes Ansehen. Klaus Majoress muss seine Fähigkeiten nicht erst unter Beweis stellen. Seine Kompetenz war und ist unbestritten.

 

Es entwickelte sich schnell ein Vertrauensverhältnis zu seiner neuen Gemeinde. Er sprang immer öfter ein, wenn „Not am Mann“ war. Ob als Prediger, als Berater oder als Unterstützung bei besonderen Anlässen – die Erfahrungen und das Wissen, das er über die Jahre sammeln durfte, sind von unschätzbarem Wert. Er erzählt: „Im Nachhinein erkenne ich sehr deutlich die Führung Gottes in meinem Entschluss, in Pension zu gehen. Er ließ mir Zeit, mich zu sammeln, neu auszurichten und Stress und Hektik abzulegen. Mich zu erholen. Parallel durfte ich langsam in meine neue Gemeinde hineinwachsen. Erst moderat als einfaches Gemeindemitglied, dann ab und zu mit einer Predigt oder der Leitung eines Gottesdienstes.“

 

„Was sehr geholfen hat, persönliche Beziehungen mit den Herscheidern aufzubauen, ist die Tatsache, dass ich oft mit dem Fahrrad oder zu Fuß im Dorf unterwegs bin“, so Majoress. „So komme ich leicht ins Gespräch und lerne die Menschen kennen. Persönliche Beziehungen bilden für mich immer die Grundlage für ein gutes Miteinander. Das wirkt sich auch in der Kirchengemeinde aus. Es ist viel schöner, wenn man sich kennt, miteinander lachen und diskutieren kann und sich auf Augenhöhe begegnet. Wenn man sonntags nach dem Gottesdienst das Gefühl hat, einen Vormittag mit Freunden verbracht zu haben, statt mit anonymen Personen. Mich erdet das und gibt mir zudem die Gewissheit, ‚angekommen‘ zu sein.“

Klaus Majoress nimmt weiterhin an vielen Veranstaltungen im Kirchenkreis teil, wie hier bei einer Veranstaltung zur Europawahl im Rosengarten in Lüdenscheid (Foto: Kannenberg)
Klaus Majoress nimmt weiterhin an vielen Veranstaltungen im Kirchenkreis teil, wie hier bei einer Veranstaltung zur Europawahl im Rosengarten in Lüdenscheid (Foto: Kannenberg)

Als der Herscheider Pfarrer Bodo Meier ohne Vorwarnung komplett ausfiel, entstand von einem Tag auf den anderen ein Vakuum, das es auszufüllen galt. Keine einfache Situation für den Pfarrer selbst, aber natürlich auch nicht für die Kirchengemeinde. Allein eine vakante Pfarrstelle in langer Vertretung zu besetzen, ist nicht einfach. In solchen Fällen malen die bürokratischen Mühlen eher langsam. Die Herscheider Pfarrerin Inge Rethemeier, ebenfalls eigentlich im Ruhestand, und Klaus Majoress brauchten daher nicht lange zu überlegen. Sie übernahmen neben dem Prädikanten Torsten Kohlen und der offiziellen Vakanz-Vertretung Pfarrer Dirk Gogarn gemeinsam einige Aufgaben des erkrankten Pfarrers. Natürlich in Absprache mit dem Presbyterium und dessen engagierter Vorsitzenden 

„Ich sehe aus der heutigen Perspektive in allem die Führung Gottes. Er wusste schließlich, was auf die Gemeinde zukommt. Dass Frau Rethemeyer Herscheid nicht den Rücken gekehrt hatte und ich selbst dorthin gezogen bin, macht es nun möglich, dass die Mitglieder der Apostelkirche sich weiterhin getragen fühlen dürfen. Herscheid hat einiges hinter sich, die letzten Jahre waren wirklich nicht einfach. Man denke nur an den Neubau des Luther-Hauses, die Aufregung um den ‚verschwundenen‘ Altar, Corona oder die Renovierung der Kirche, die ja auch lange ‚in den Sternen‘ stand. Es wäre nicht gut gewesen, wenn die Gemeinde nun auch noch ohne Leitung dagestanden hätte. Vielleicht hätten dann doch einige endgültig aufgegeben, was sehr schade gewesen wäre. Die Herscheider Christen sind lebendig und aktiv. Es macht Spaß, Teil von ihnen zu sein“, sagt Klaus Majoress wertschätzend.

 

„Mein Fazit aus dem Geschehen: Gott lässt niemanden im Stich und man ist auch nie zu alt, um von ihm gebraucht zu werden. Im Gegenteil. Gerade als Älterer bringt man einen großen Erfahrungsschatz mit, hat schon vieles bewältigt und bewahrt auch in ‚brenzligen Situationen‘ die Ruhe,“ so der ehemalige Superintendent. „Ich bin daher rundherum zufrieden mit meinem jetzigen Leben. Sollte ich Angst gehabt haben vor Langeweile, dann war dies völlig überflüssig. Gott schenkt uns gern noch einmal neue Aufgaben. Klar, ich hätte sicher auch ‚Nein‘ sagen können. Er hätte das akzeptiert. Aber so, wie es jetzt gekommen ist, ist es gut. Ich freue mich, dass ich meinen Beitrag darin leisten kann, die Apostelkirche aktiv zu unterstützen.“

 

„Ich habe ehrlicherweise nicht damit gerechnet, dass mein sogenannter Ruhestand sich so lebendig und teilweise richtig turbulent gestalten würde. Ich freue mich jedoch darüber. Langeweile ist nämlich wirklich nicht mein Ding“, schmunzelt Majoress.

 

Er strahlt Frieden aus. Man fühlt sich wohl in seiner Gegenwart. Dabei ist er sich der vielen Probleme bewusst, die die Kirche generell gerade mit sich herumschleppt. Er sieht da sehr klar. Dass kurzfristig ein Pfarrer wegbricht, ist nur eine der kleineren Herausforderungen, denen sich die Landeskirche gegenübersieht. Er ist jedoch nicht gewillt, sich davon beeindrucken zu lassen. Die evangelische Kirche musste schon mit vielem klarkommen. Es gibt sie dennoch weiterhin, diese Kirche, die ihre Existenz einem kleinen Mönch und seinen mutigen Mitstreitern verdankt, die vor 500 Jahren ebenfalls nicht gewillt waren, aufzugeben. Heute stehen Menschen wie Klaus Majoress mit viel Glauben und Liebe für das manchmal schlingernde ‚Kirchenschiff‘ ein und bringen es so immer wieder auf Kurs.

 

Der Ruhestand des ehemaligen Superintendenten des Kirchenkreises Lüdenscheid-Plettenberg entpuppte sich letztendlich als ein neuer bedeutender Lebensabschnitt, der sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich bringt. Für ihn selbst, aber auch für seine Gemeinde. Durch sein Engagement in der Apostelkirche und darüber hinaus im gesamten Kirchenkreis bleibt es für Klaus Majoress spannend. Wohin mag sein Weg ihn noch führen? Welche Türen wird Gott noch für ihn aufmachen? Er selbst sieht es gelassen, mit offenem, fröhlichem Herzen und freut sich darauf, seiner Berufung noch lange nachgehen zu können. Zum Wohl und zum Segen für alle, die ihm anvertraut sind und diejenigen, die ihm noch anvertraut werden.

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