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Im Anfang war das Wort

12.2.2021

Die ökumenisch verantwortete Kampagne „#beziehungsweise –jüdisch und christlich: näher als du denkst“ möchte dazu anregen, die enge Verbundenheit des Christentums mit dem Judentum wahrzunehmen (Grafik: beziehungsweise)
Die ökumenisch verantwortete Kampagne „#beziehungsweise –jüdisch und christlich: näher als du denkst“ möchte dazu anregen, die enge Verbundenheit des Christentums mit dem Judentum wahrzunehmen (Grafik: beziehungsweise)

KIRCHENKREIS + Mit dem Wort „b’reschit – im Anfang“ beginnt das erste Buch der Bibel und erzählt von der Erschaffung der Welt. „Es werde Licht!“ (Gen 1,3) – Die ersten Worte Gottes, damit beginnt sein Schöpfungswerk. Der Evangelist Johannes drückt Vergleichbares aus mit dem berühmten „Im Anfang war das Wort“ (Joh 1,1). Ohne das Wort – ohne die Worte Gottes sind weder Judentum noch Christentum denkbar.

 

Daher verwundert es nicht, dass das Wort im Mittelpunkt des jüdischen wie des christlichen Gottesdienstes steht: In ihren Versammlungen am Schabbat lesen jüdische Gläubige aus den fünf Büchern der Tora, die im christlichen Bereich traditionell die „Fünf Bücher Mose“ genannt werden. Dazu kommen weitere biblische Texte, u.a. Psalmen und Prophetentexte. Auch in den christlichen Gottesdiensten stehen biblische Texte im Mittelpunkt: Abschnitte aus den Evangelien und aus den Briefen an die ersten christlichen Gemeinden, aber ebenso Texte des Alten Testaments, das auch als Erstes Testament bezeichnet werden könnte und das wir mit dem Judentum gemeinsam haben. Gerade in der Zeit der Reformation war es Martin Luther wichtig, die Bibel zu ihrem Recht kommen zu lassen: Sola scriptura – allein die Schrift.

 

Die Rezitation der Heiligen Schriften ist das Eine, das Andere ist die Auslegung dieser Schriften, die sowohl im Judentum als auch im Christentum einerseits im Gottesdienst ihren Platz hat, andererseits aber auch im Selbststudium und in anderen Kontexten geübt wird. Die Interpretation der Schriften ist nie abgeschlossen, es existiert auch keine verbindliche Festlegung, wie die Texte zu verstehen sind. Je nach Situation, je nach Zusammensetzung der Hörenden und Lesenden können unterschiedliche Aspekte betont werden – ohne dass die Auslegung willkürlich wird. Der Vielklang der biblischen Zeugnisse und der Interpretationen ist kein Manko, sondern ein Reichtum.

Die Worte der biblischen Bücher sind ein gemeinsamer Schatz – auch wenn Juden und Christen, Jüdinnen und Christinnen nicht alle Bücher gemeinsam haben. Daher können wir als christliche Kirche auch von den Erkenntnissen jüdischer Interpretinnen und Interpreten lernen – umso mehr, als das Christentum diese Möglichkeit über Jahrhunderte nicht nutzen wollte. ©Ralf Lange-Sonntag

 

Weitere Informationen zu „B’reschit beziehungsweise im Anfang“: https://www.juedisch-beziehungsweise-christlich.de/januar/

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