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Kreissynode: Latenter Atheismus als größte Herausforderung
11.11.2022

KIRCHENKREIS + Die Zeiten, in denen der christliche Glauben den meisten Menschen in Angesicht von Krisen und Ängsten einen zentralen Halt bot, scheinen vorbei zu sein. In seinem Bericht bei der Herbstsynode des Evangelischen Kirchkreises Lüdenscheid-Plettenberg sprach Superintendent Dr. Christof Grote davon, dass die große Herausforderung in allen aktuellen Umbrüchen und Krisen darin zu bestehe, dass die Frage nach Gott für "ganz viele Menschen völlig aus der Zeit gefallen zu sein scheint".
Sinkende Gemeindegliederzahlen seien eben nur zu einem Teil auf die demografische Entwicklung zurückzuführen. Vielmehr gehe es darum, dass all diejenigen, die die Kirche verlassen haben, auch ihre Kinder nicht mehr taufen ließen und in den Kindergottesdienst schicken. Schwerwiegender als ein bewusster Atheismus sei die latente Abkehr im Alltag, weil sich Menschen von der christlichen Botschaft nicht mehr angesprochen fühlen. Der Glauben spiele für ihr Leben keine Rolle. "Hier sind wir alle gefordert, die vorhandenen Anknüpfungspunkte, die wir als Volkskirche immer noch haben zu nutzen und auch neue Kontaktmöglichkeiten zu schaffen", sagte Grote und verwies unter anderem auf Kindertageseinrichtungen oder Religionsunterricht in den Schulen.
In den Mittelpunkt seiner Ausführungen rückte der Superintendent die Herausforderungen, vor denen der Kirchenkreis aktuell steht. Allen voran geht es dabei um die Personalentwicklung und der Mangel an Pfarrerinnen und Pfarrern. Er erinnerte an die Sondersynode, bei der im September beschlossen wurde, dass die Gemeinden bis zum nächsten Sommer verbindliche Kooperationsräume bilden, um sich bei der Planung der Pfarrstellen für die Zukunft aufzustellen. Die Presbyterien seien inzwischen informiert worden, um ihre Stellenplanung entsprechend anzugehen. Grote sprach von einer "großen Aufgabe", die manches, was über Jahrzehnte lieb und vertraut geworden sei, in Frage stelle.
Gleichzeitig sei das kirchliche Leben immer noch durch die Einschränkungen der Corona-Pandemie geprägt. Zudem seien viele Routinen weggebrochen, die erst mühsam wieder neu etabliert werden müssten. Es habe ihn gefreut, sagte Grote, dass in Lüdenscheid wieder ein Stadtfest gefeiert werden konnte, mit einem "bewegenden ökumenischen Gottesdienst" auf der Bühne auf dem Rathausplatz. Auch für den Lüdenscheider Weihnachtsmarkt habe die Stadt in diesem Jahr einen ökumenischen Gottesdienst angefragt. Die Corona-Zeit habe somit auch gezeigt, dass vieles in der ökumenischen Zusammenarbeit gestaltet werden könne.
Als weitere Herausforderungen nannte der Superintendent die Umsetzung des Kirchengesetzes zum Schutz vor Sexualisierter Gewalt. Schulungen und Präventionsarbeit sind angelaufen. "Es geht – um das noch einmal ganz klar zu sagen – in all dem darum, dass Menschen, die zu uns kommen, unsere Kirchen und Gemeinderäume als sichere Orte erleben können, an denen alles für ihren Schutz getan wird." Eine weitere Herausforderung, bei der Kirche zur Bewahrung der Schöpfung Vorbild sein müsse, sei der Klimawandel. Auch dafür seien Beschlüsse bei der nächsten Landessynode zu erwarten.
Trotz aller Krisen und Sorgen, hatte Grote auch einige positive Nachrichten zu vermelden. So konnten mit den Jubiläen 950 Jahre Erlöserkirche in Lüdenscheid und 500. Geburtsjahr von Hermann Wilken in Neuenrade besondere Ereignisse gefeiert werden. Außerdem gebe es - bei allen Sorgen um die Personalentwicklung – auch Neubesetzungen von Stellen. Außerdem absolvierten zahlreiche Gemeindemitglieder Ausbildungen zu Prädikanten.

Zudem ging Grote in seinem Bericht auf die vielfältige Arbeit ein, die das Diakonische Werk leiste. Beispielsweise in den Beratungsstellen, in diesem Jahr aber auch im Besonderen für geflüchtete Menschen aus der Ukraine. "In den verschiedenen Diensten, Beratungsstellen und Projekten unseres Diakonischen Werkes sind im Jahreszeitraum 11/2021 bis 11/2022 wieder ca. 4.500 ‚Fälle‘ bearbeitet worden: Jeder ‚Fall‘ ist ein Mensch, der beraten, begleitet, betreut oder therapiert wurde. Da immer das gesamte Familiensystem betroffen ist, sind es einschließlich der Familien weit über 10.000 Menschen in unserem Kirchenkreis, welche die Dienste der Diakonie intensiv genutzt haben. Dazu kommt noch eine ungezählte Anzahl von Menschen, die eine telefonische Kurzberatung, eine Auskunft oder einen Verweis auf weitergehende Hilfe anderer Institutionen und Behörden bekommen haben", so der Superintendent. Grote erwähnte auch die Berufung von Volker Bäumer als neuen Diakoniepfarrer.
In der Andacht zum Beginn der Synode, gestaltet von den Synodalen der Kirchengemeinde Attendorn-Lennestadt, und im Grußwort von Ulf Schlüter, theologischer Vizepräsident der Landeskirche, stand das Datum der Synode im Mittelpunkt: In Erinnerung an die Pogromnacht des Jahres 1938 wurde an die besondere Verantwortung der Kirchen im Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus appelliert. Schlüter erinnerte zudem an die anderen beiden historisch bedeutenden Ereignisse für die deutsche Geschichte an diesem Datum: Die Ausrufung der Weimarer Republik 1918 und den Fall der Berliner Mauer 1989. "Das große Schweigen ist für uns als Evangelische Kirche hoffentlich keine Option mehr", sagte er und betonte, dass das Eintreten für die Demokratie "für uns eine Pflicht sei." ©ekklp
Weitere Berichte folgen.
