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Schönheit statt Asche – Vernissage des Künstlers Jörn Lange zum Thema „Holocaust-Überlebende“

13.10.2023

Der Künstler und Initiator des Projektes „Schönheit statt Asche“ Jörn Lange (stehend) berichtet den Gästen über seine Arbeit und das Projekt (Foto: Kannenberg)
Der Künstler und Initiator des Projektes „Schönheit statt Asche“ Jörn Lange (stehend) berichtet den Gästen über seine Arbeit und das Projekt (Foto: Kannenberg)

Von Iris Kannenberg

 

LÜDENSCHEID + Anlässlich der Verlegung von dreizehn „Stolpersteinen“ im September in Lüdenscheid und des Beginns des neuen Jüdischen Jahres 5784 (Rosch ha-Schana), fand in der „Guten Stube Lüdenscheid“ eine Feier mit Schabbat-Lesung, gemeinsamem Essen und der Ausstellung „Schönheit statt Asche“, einer Initiative des gläubigen Künstlers Jörn Lange, statt. Die gut besuchte Vernissage wurde von ihm persönlich eröffnet. Dazu flog er mit 21 Bildern im Gepäck extra von seinem Wohnort Zypern nach Deutschland.

 

Das Projekt „Schönheit statt Asche“ entstand nach dem Besuch des Künstlers in Auschwitz. Betroffen machte er sich Gedanken darüber, wie er Holocaust-Überlebende unterstützen könnte. Er wollte dem Grauen mit Kunst etwas entgegensetzen. Aus diesem ersten Gedanken entstand eine ganze Bewegung: „Wir sind heute eine internationale Gruppe von Künstlern, die Originalkunstwerke als Geste der Vergebung an Holocaust-Überlebende verschenken. Das Projekt wurde im Januar 2015 in Auschwitz geboren, als Jörn Lange das dortige Konzentrationslager besuchte und eine Antwort auf sein Erleben im Lager suchte. Seine Idee war, Künstler zu mobilisieren, um Holocaust-Überlebende und ihre Kinder mit Kunstwerken zu beschenken und ihnen damit einen kleinen Teil der Schönheit, die ihnen in ihrem Leben geraubt worden ist, zurückzugeben.

 

Das Projekt arbeitet in Israel mit „Helping Hand Coalition (www.hhcoalition.com)“ zusammen, um die Kunstwerke zu ihren Empfängern zu bringen und Ausstellungen für Überlebende mit den Bildern zu organisieren. Die Überlebenden, die eingeladen werden, werden gebeten, durch die Ausstellung zu gehen und zu sehen, ob ein Bild sie anspricht. Kunst umgeht das Denken und trifft Menschen ins Herz. Dadurch öffnet Kunst Menschen für einen Dialog, der u.U. sonst durch die bereits vorhandenen Erfahrungen und Urteile im Kopf verhindert würde.“

 

In der „Guten Stube“ erzählte Jörn Lange über seine Treffen mit Überlebenden in Israel, ihre Reaktion auf die Bilder und wie jeder genau das Bild findet, das ganz persönlich zu ihm passt. „Ich malte einmal ein Bild, auf dem waren Meer, Sonne und Wolken zu sehen. Ein Stück Strand. Dieses Bild stand in einer unserer Ausstellungen. Später kam ein alter Mann zu mir, mit dem Bild in der Hand und bedankte sich dafür. Er sagte, dass ihn dieses Bild so angesprochen hatte, weil es Odessa zeige, seine Heimatstadt. Das Stück Strand, dass er am liebsten mochte. Ich selbst war noch nie in Odessa. Es machte mich fast sprachlos, dass Gott anscheinend meine Hand so geführt hatte, dass genau dieses Bild für genau diesen Mann entstand. Solche Dinge erleben wir öfter. Obwohl wir weder die Menschen kennen, für die wir malen, noch ihre Gedanken oder Heimatorte. Wir sehen darin die Bestätigung, dass Gott mittendrin ist in diesem Projekt. Nur er kennt alle Menschen ganz genau, schaut in die Tiefen ihrer Seelen und hat sie ihr ganzes Leben lang begleitet. Für mich ist das immer wieder wie ein Wunder und ein großer Ansporn, weiterzumachen.“

 

Die Lüdenscheiderin Cornelia Ziemke, eine der Künstlerinnen, die sich für das Projekt „Schönheit statt Asche“ engagiert und bereits zweimal in Israel mit dabei war, erzählte nach Jörn Lange anschaulich über ihre Begegnungen mit den Holocaust-Überlebenden und wie sehr sie das, was sie in den jeweiligen Ausstellungen miterleben durfte berührt: „Wenn man mit vor Ort ist, die Atmosphäre direkt erlebt und die Menschen, die den Holocaust überlebt haben von Angesicht zu Angesicht kennenlernt, dann weiß man, dass sich alles Engagement für sie lohnt. Unvergessen ist für mich, wie sie durch die Ausstellung gehen und genau ‚ihr‘ Bild finden. Und was das in ihnen auslöst. Manche, die noch nie wirklich über das Erlebte geredet haben, kommen zu uns und öffnen sich. Sie sind erstaunt und bewegt darüber, dass sich Christen so für sie einsetzen und sie beschenken. Es ist, als würde sich eine Tür öffnen. Hin zu Vergebung und zu einem Neuanfang. Für mich ist dieses Projekt daher sehr wertvoll. Kunst berührt Herzen. Bei ihnen ebenso wie bei uns. Das Ergebnis ist oft einfach nur überraschend und überwältigend. Für beide Seiten.“

 

Der ganze Abend hatte einen feierlichen Anstrich und bot die Gelegenheit für viele interessante Gespräche. Die Lüdenscheiderin Inge Kind sprach eines der Bilder ganz besonders an. Sie suchte daher den Kontakt zu Jörn Lange, einfach, um zu erfahren, ob sie das Bild kaufen könne. Der Künstler versprach ihr, das Bild an sie zu verschicken, sobald er zurück auf Zypern sei. Die beiden kamen ins Gespräch. Und waren sich auf Anhieb sympathisch. „Überhaupt“ sagte sie später, „war das für mich ein ganz besonderer Abend. Es war so schön, diesen Schabbat zu feiern, dem Rabbi Sergej Solodukho und seine Frau Vika dabei zuzusehen, wie der Segen gesprochen, die Kerzen angezündet und Brot und Wein gesegnet wurden. Alles, was die beiden zelebrierten, war für mich neu und hoch interessant. Ich habe mich sehr wohl gefühlt in diesem Rahmen. Die fröhlichen gemeinsamen Schabbat-Lieder, die gesungen wurden, die Freude und die Wärme, die von allem ausgingen. Dazu diese wunderbare Ausstellung und Jörn Lange, der einfach eine großartige Ausstrahlung hat. Mich hat das alles neugierig gemacht auf „mehr“. Ich komme bestimmt gerne wieder mit, wenn in der „Guten Stube“ eine weitere Veranstaltung zum Thema „Jüdisches Leben“ angeboten wird. Diesen Abend werde ich nicht so bald vergessen.“

 

Damaris Seidel, Leiterin der „Guten Stube“, die der Ausstellung ihre Räumlichkeiten zur Verfügung stellte, begründet ihr eigenes Engagement wie folgt: „Mit der Arbeit der „Gedenkzellen“, der „Freunde Israels“ und der „Christlich-Jüdischen Gemeinschaft“ haben wir einen echten Schatz in Lüdenscheid. Es ist wundervoll, dass sich Menschen in unserer Stadt so aktiv gegen das Vergessen engagieren. Daher ist es mir eine Ehre, diese Arbeit zu unterstützen.“

 

Insgesamt lief die Ausstellung im September und war dabei gut besucht. Das Resümee der „Freunde Israels“, die das ganze organisiert und betreut hatten sowie Jörn Lange war daher durchweg positiv: „Ein gelungenes Event, für das sich alle Mühen mehr als gelohnt haben. Allein die guten Gespräche, die wir führen durften und die Tatsache, dass so viele junge Menschen die Ausstellung besucht haben, hat uns viel Mut gemacht. Den Mut, uns weiter gegen das Vergessen einzusetzen und die Erinnerung an das, was einmal in Deutschland möglich war, lebendig zu erhalten. Damit sich so etwas nicht wiederholt.

 

Mit den Bildern können wir zudem Freude bereiten, die Asche des Grauens mit Schönheit zumindest etwas mildern. Dabei entstehen gerade in Israel echte Freundschaften zu den Holocaust-Überlebenden und ihren Familien, die wir aktiv pflegen. Solange die Erinnerung lebendig ist, besteht die Hoffnung, dass so etwas wie Auschwitz nie wieder passiert. Nirgendwo auf dieser Welt. Dafür arbeiten wir. Dafür stehen wir auch in Zukunft engagiert und gerne ein.“

Die Vernissage „Holocaust-Überlebende“ in der überkonfessionellen Begegnungsstätte „Gute Stube Lüdenscheid“ und bei der Ausstellungseröffnung im Akko-House in Israel

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