Artikel Archiv

„Wir sehen – und sind fassungslos“

25.10.2023

Die Gottesdienstbesucher zündeten zum Abschluss Kerzen zu Gedenken an die Opfer und für den Wunsch nach Frieden an und hatten dabei Gelegenheit, ihre stillen Gebete zu formulieren (Foto: Görlitzer)
Die Gottesdienstbesucher zündeten zum Abschluss Kerzen zu Gedenken an die Opfer und für den Wunsch nach Frieden an und hatten dabei Gelegenheit, ihre stillen Gebete zu formulieren (Foto: Görlitzer)

Von Bettina Görlitzer

 

LÜDENSCHEID + „Wir haben keinen Ausweg. Aber eins können wir haben, dazu lädt Gott uns immer wieder ein: Wir haben die Hoffnung, dass Gott Herzen wenden kann und Frieden möglich macht“: Superintendent Dr. Christof Grote fand in seiner Predigt in der Lüdenscheider Johanneskirche die passenden Worte, für das, was viele Menschen sprachlos macht. Dorthin hatte der Evangelische Kirchenkreis Lüdenscheid-Plettenberg angesichts der Anschläge der Hamas in Israel und der daraus resultierenden Spirale aus Gewalt und Terror zu einem Friedensgebet im Rahmen eines Gottesdienstes eingeladen.

„Wir sehen und sind fassungslos. Demgegenüber stünden die Hoffnung und das Vertrauen, dass „Hass und Gewalt, Terror und Tod, bei Gott nicht das letzte Wort haben“, so Superintendent Dr. Christof Grote in seiner Predigt (Foto: Görlitzer)
„Wir sehen und sind fassungslos. Demgegenüber stünden die Hoffnung und das Vertrauen, dass „Hass und Gewalt, Terror und Tod, bei Gott nicht das letzte Wort haben“, so Superintendent Dr. Christof Grote in seiner Predigt (Foto: Görlitzer)

Frauen und Männer unterschiedlicher Konfessionen und Generationen, darunter auch Lüdenscheids Bürgermeister Sebastian Wagemeyer, waren der Einladung gefolgt. Sie alle machten allein durch ihre Anwesenheit deutlich, dass der Terror durch Hamas und Hisbollah und der dadurch provozierte erneute Krieg im Nahen Osten, sowie die antiisraelischen Proteste und die Zunahme antisemitischer Straftaten und Übergriffe in Deutschland auch die Menschen in Lüdenscheid beschäftigen – und ein Gottesdienst womöglich das Einzige ist, was man diesen fassungslos machenden Taten und Ereignissen entgegensetzen kann.

 

Grote sprach in seiner Predigt von einem „heimtückischen Terroranschlag“ auf friedlich feiernde Menschen jüdischen Glaubens, von den Geiseln, die als menschliche Schutzschilde missbraucht werden, und von dem Volk der Palästinenser, das von den Terroristen „aufgehetzt“ werde und dessen Leid nichts zähle, „allenfalls als sogenannter Kollateralschaden des Terrors.“ Grote sagte: „Wir sehen und sind fassungslos.“ Und er erinnerte an die Klageworte des Volkes Israel aus dem Psalm 102. „Wir sehen die Bilder des Grauens unserer Tage und wir hören die Schilderungen aus biblischer Zeit.“ Das mache deutlich, dass es Hass, Gewalt und Ausweglosigkeit der Opfer immer schon gegeben habe. Demgegenüber stünden die Hoffnung und das Vertrauen, dass „Hass und Gewalt, Terror und Tod, bei Gott nicht das letzte Wort haben“. Er wolle das Miteinander und die Gemeinschaft, nicht den Tod, sondern das Leben. Darauf könnten die Menschen ihre Hoffnung bauen, so Grote.

Lüdenscheids Bürgermeister Sebastian Wagemeyer (3.v.l.), hier zwischen Hella Goldbach und Achim Riggert, war auch zum Friedensgebet gekommen (Foto: Görlitzer)
Lüdenscheids Bürgermeister Sebastian Wagemeyer (3.v.l.), hier zwischen Hella Goldbach und Achim Riggert, war auch zum Friedensgebet gekommen (Foto: Görlitzer)

Vor der Predigt gab es Berichte, über das, was derzeit passiert, nicht nur in Israel. Hella Goldbach sprach als Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Lüdenscheid über die Sorge und Angst von Juden in Deutschland vor wachsendem Antisemitismus. „Eltern wollen nicht, dass bekannt wird, dass ihre Kinder Juden sind.“ Achim Riggert, Pfarrer im Kirchenkreis, erzählte von seinen Erlebnissen in Israel. Er war mit einer Gruppe einen Tag vor den Anschlägen dort angekommen. Die Reise, als Begegnungsreise mit vielen verschiedenen Bevölkerungsgruppen geplant, endete als eine regelrechte Flucht. Er erlebte ein Land im Schockzustand und berichtete, wie sich bei den

Menschen dort Fassungslosigkeit, Angst und Sorge mit Wut mischen und welche Traumata durch die Anschläge wachgerufen worden seien, nicht nur mit der Erinnerung an die Shoah. Ramona Winkler-Rudzio, Pfarrerin der Johanneskirchengemeinde und Religionslehrerin an der Richard-Schirrmann Realschule in Lüdenscheid, sprach von Videos, die unter Schülern kursierten, und ihrer Sorge vor einer zunehmenden Radikalisierung unter muslimischen Jugendlichen.

 

Zum Abschluss zündeten die Gottesdienstbesucher Kerzen zu Gedenken an die Opfer und für den Wunsch nach Frieden an und hatten dabei Gelegenheit, ihre stillen Gebete zu formulieren.

zurück zur Übersicht