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Michael Siol: „Jeder soll seinen Pfarrer kennen!“

3.5.2017

Von Guido Raith

Sie sind Tag für Tag in den Gemeinden des Evangelischen Kirchenkreises Lüdenscheid-Plettenberg unterwegs, arbeiten im Kreiskirchenamt, dem Friedhofsverband, im Diakonischen Werk oder ehrenamtlich neben ihrem Beruf in den Kirchengemeinden. Und hinter jedem dieser Menschen steckt eine Geschichte, die ihn irgendwann zum Dienst in der Evangelischen Kirche führte, die jedoch kaum jemand kennt. Im Rahmen der Serie „Einer von uns...“ werden nun einige dieser Geschichten erzählt, rücken der Mensch und das Menschliche in den Vordergrund und Kirche bekommt einmal mehr ein Gesicht.

„Einer von uns...“ ist Michael Siol aus Schalksmühle. Seit rund vier Wochen ist er mit einer halben Stelle in der Evangelischen Johanneskirchen-Gemeinde in Lüdenscheid als Pfarrer aktiv. Weitere Aufgabenfelder sind die seelsorgerische Hospiz-Arbeit sowie die als Synodalvikar für Organisatorisches im Ev. Kirchenkreis Lüdenscheid-Plettenberg. Der geborene Lüdenscheider studierte Theologie in Bochum und absolvierte sein Vikariat in Hagen. Seit einigen Jahren wohnt er mit Frau und drei Kindern in seinem ehemaligen Elternhaus in Schalksmühle. Wie entscheidet man sich eigentlich dazu, Pfarrer zu werden?

„Spontan, kurz vor dem Abi.“, sagt Michael Siol und erzählt dann von ersten Berührungspunkten mit der Evangelischen Kirche, die seine Entscheidungsfindung eigentlich schon früh initiiert haben. Von der Jungschar über den Konfirmandenunterricht und die Entscheidung, im CVJM mitzuarbeiten bis hin zu einem stillen Gebet, in dem er sich schließlich entschied, Theologie zu studieren, mit dem Ziel des Pfarramtes. Viel sei dabei über Vorbilder entschieden worden, über wichtige Menschen, denen er in dieser Zeit begegnete. Einer davon sei auch Pfarrerin Doris Korte gewesen. „Ich bin immer von der Kirche angenommen worden“, erinnert sich Michael Siol. Und dass trotz der nonkonformistischen Haltung, einem Hang zur Punkmusik und den bunten Haaren, die er als Teenager trug. „Das ist eine Form von Kirche, die ich erlebt habe und die ich auch so weitergeben möchte!“, lächelt Siol und man glaubt es ihm, wenn er sagt, dass er seinen „absoluten Traumberuf“ gefunden hat.

Natürlich sei Glaube auch Zweifeln, wären da auch „Momente, in denen du von dem Auferstandenen nichts spürst“, erzählt Siol. Dann sei das Besinnen auf die besonderen Augenblicke in der Gemeinschaft, in der Kirchengemeinde wichtig, wo es das Gefühl, verstanden zu werden gibt, befreit von allem Erfolgsdruck und dem Druck, alles richtig machen zu müssen. Freundschaft spiele eine große Rolle und sei ihm unglaublich wichtig, so Siol.

Zur Situation der Evangelische Kirche befragt, erläutert der junge Pfarrer seine Sicht. Man sei in der Breite und nah am Menschen und müsse auch genau dort bleiben. Siol: „Jeder soll seinen Pfarrer kennen!“ Genau da sei aber auch das Problem. Es gäbe nicht genug Nachwuchs, was auch angesichts der langen Ausbildungszeit zu verstehen sei. Eine Art Pfarramt auf dem zweiten Bildungsweg könne vielleicht ein Lösungsansatz sein, natürlich ohne dabei die Ideale zu vernachlässigen. Jede Gemeinde bräuchte selbstverständlich einen Voll-Theologen. Man müsse immer Volkskirche sein und auch immer in der Fläche bleiben.

Mehr Menschen sollten zur Mitarbeit ermutigt werden. Siol: „In die Zukunft gehen mit einem breiten, fröhlichen, ehrenamtlichen Engagement. Die Angst, etwas falsch zu machen, ist weit verbreitet. Da müssen wir einen Gegenpol bieten und sagen: Bring dich so ein, wie du bist.“

Im Jahr des Reformationsjubiläums hält Michael Siol den Ansatz, die Bibel in den Mittelpunkt zu stellen, für wichtig. „Die Bibel gibt lebenspraktische Antworten“, erläutert er und meint, man solle sich auf die Texte fokussieren und durchaus auch unbequeme Passagen aufgreifen. Den Fragen, die man sich selbst, zu seinem Leben und der Welt stelle, könne man mit einer Fragestellung - abgeleitet aus dem Doppelgebot der Liebe - aus der Bibel begegnen: „Man sollte sich bei allem fragen: Ist es liebevoll gegenüber Gott? – Ist es liebevoll gegenüber den Menschen? – Ist es liebevoll gegenüber mir selbst?“, so Siol. Diese Fragen ins Gespräch zu bringen, sollten eine kirchliche Intervention sein, so der Pfarrer weiter. Und zwar ebenso für die Wahlkabine, wie für das Konsumverhalten im Supermarkt. Siol: „Mit klugen Fragen kann man viel mehr erreichen, als mit einfachen Antworten.“

Auch wenn die Auseinandersetzung mit Glaubenswegen, eine spürbare Leidenschaft für seine Arbeit und auch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Theologie ihn sichtlich umtreiben, ist Michael Siol auch ein Mann der Praxis, der die „Erdung“ sucht und nicht zuletzt auch in seiner Mitgliedschaft bei der Freiwilligen Feuerwehr und seinem politischen Engagement findet. Seit 2009 ist er SPD-Mitglied, und im Jahr 2014 kandidierte er für das Schalksmühler Bürgermeisteramt. Aktuell begleitet er die Geschicke der Gemeinde als Mitglied im Hauptausschuss.

Und wenn er gerade keine Predigt vorbereitet, sich nicht in eine Beschlussvorlage einarbeitet, seelsorgerisch in der Gemeinde unterwegs ist, oder einfach Zeit mit seiner Frau und den drei Kindern verbringt, „...gibt es bestimmt noch ein Dachfenster in unserem Haus, das ausgetauscht werden muss.“, lacht Michael Siol: „Ich brauche die Balance.“

 

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